New York (dpa) – Es ist jetzt zwölf Jahre her, dass der us-amerikanische Filmkritiker Nathan Rabin einen Begriff erfunden hat, der seitdem einen bestimmten Frauencharakter in Arthaus-Filmen beschreibt: das „Manic Pixie Dream Girl“.
Rabin definierte diese jungen Frauen als „quirlige und oberflächliche Figur, die es nur in den Fieberträumen von sensiblen Regie-Drehbuchschreibern gibt“. Der Archetyp gehe lang zurück, Audrey Hepburn in „Frühstück bei Tiffany“ zähle dazu, Diane Keaton in „Annie Hall“ oder aus jüngerer Zeit Natalie Portman in „Garden State“.
Zu Beginn von „The Big Sick“ sieht es so aus, als sei auch Zoe Kazan das klassische Abziehbild dieses Charakters – nett, aber man hat sich eigentlich schon an diesem Archetyp sattgesehen. Doch dann kommt alles anders.
Kazan spielt Emily, eine Bar-Besucherin, die nach seinem Auftritt in einem Comedyclub mit Kumail ins Gespräch kommt, ein US-Amerikaner mit pakistanischen Eltern, der leicht orientierungslos durchs Leben driftet. Die beiden landen in der ersten Nacht im Bett, schnell wird eine Beziehung daraus, doch Kumail bringt es nicht übers Herz, seinen Eltern von Zoe zu erzählen – die versuchen stattdessen weiter munter, ihn mit pakistanischen Single-Töchtern aus dem Bekanntenkreis zu verkuppeln.
Was sich wie eine albernen Millennial-Version von Multikulti-Komödien wie „My Big Fat Greek Wedding“ liest, bestimmt aber nur die erste halbe Stunde des Films. Der Plot nimmt nach dem ersten Akt eine ungeahnte Wendung – die an dieser Stelle nicht vorweggenommen werden soll – und die fluffige Komödie bekommt einen deutlich ernsteren Grundton verpasst.
Die meisten Zuschauer hat das charismatische Hauptdarstellerpaar zu diesem Zeitpunkt ohnehin schon in der Tasche. Ein einziger grinsender Blick Kumails in den Rückspiegel, wo auf der Rückbank Emily sitzt, reicht nach einer guten Viertelstunde aus, um den beiden das Beste zu wünschen. Das Wissen, dass Darsteller Kumail Nanjiani (bekannt aus der Startup-Comedy „Silicon Valley“) zusammen mit seiner wirklichen Ehefrau Emily Gordon die eigene Geschichte nacherzählt, sorgt für eine Menge zusätzliches Wohlwollen.
Die Gags sind trocken, herzlich und zünden fantastisch. Herausragend gelingt auch die Chemie zwischen Zoes Eltern, gespielt von Holly Hunter als Tigermutter und Ray Romano als desillusionierter Vater in einer späten Midlife Crisis. Weniger bekommt dafür Kumails Familie zu tun, seine traditionelle Mutter und ihr passiver Ehemann sind deutlich schwächer ausgearbeitet.
Und dennoch: Bis auf eine langwierige Viertelstunde im letzten Drittel stimmt der Groove dieses US-Überraschungshits. In den Händen des soliden Regisseurs Michael Showalter („Hello, my name is Doris“) und des herausragenden Produzenten Judd Apatow wird aus „Big Sick“ in der Summe eine der ungewöhnlichsten und sympathischsten Liebeskomödien der vergangenen Jahrzehnte – und statt „Manic Pixie Dream Girl“ steht endlich einmal ein vollständig entwickelter Frauencharakter im Zentrum.
The Big Sick, USA 2017, 119 Min., FSK ab 6, von Michael Showalter, mit Kumail Nanjiani, Zoe Kazan, Holly Hunter, Ray Romano
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