Am Freitag erschien das Profil mit einem ungewöhnlichen Titelbild. Das österreichische Nachrichtenmagazin sprach sich darauf für den grünen Bundespräsidentschaftskandidaten Alexander Van der Bellen aus und titelte: „Es kann nur einen geben.“ Wahlempfehlungen von Medien sind in Österreich ebenso unüblich wie in Deutschland.

Kann Profil mit seiner Wahlempfehlung unentschiedene Leser überzeugen? Oder verschreckt das Magazin Wähler, die Medien schon lange vorwerfen, parteiisch zu sein?

Die FPÖ nutzt die Vertrauenskrise

Die Frage ist schwer zu beantworten, doch vertraut schon jetzt die Hälfte der Österreicher Printmedien nicht mehr. Unter jungen Erwachsenen zwischen 18 und 34 Jahren sind es sogar 85 Prozent, die herkömmlichen Medien misstrauen, ergab eine nicht repräsentative Onlineumfrage unter 90.000 Teilnehmern.

Die Freiheitliche Partei heizt dieses Misstrauen an, spricht von „Systempresse“ und „linker Journaille“. FPÖ-Mitglieder befeuern Stimmungen auf Facebookseiten, indem sie Boulevardartikel und Pseudo-Nachrichten teilen. Längst hat sich die Partei ihr eigenes Medienuniversum geschaffen, fast unabhängig von kritischen Journalisten.

Im Zentrum steht die Facebook-Fanseite von FPÖ-Parteichef Heinz-Christian Strache, dem jeder achte österreichische Facebook-Nutzer folgt. Er und Bundespräsidentschaftskandidat Norbert Hofer erreichen gemeinsam 700.000 Likes auf Facebook. Scrollt man durch ihre Timelines, findet man beispielsweise Videos des parteieigenen FPÖ-TV, in denen Straches Ehefrau Hofer interviewt.

Strache teilt, die Medien freut's

Die meisten Verweise führen aber zur auflagenstarken Kronenzeitung. Das Boulevardblatt profitiert von der Aufmerksamkeit durch die FPÖ-Fans. „Wenn Strache einen normalen Bericht von uns auf Facebook teilt, dann merken wir, das haut die Quote auf das 1,5-Fache hoch“, sagt Krone.at-Chefredakteur Richard Schmitt in einem Interview mit dem Magazin Fleisch. „Und umgekehrt kriegt er natürlich auch mehr Traffic, wenn wir ihn pushen.“ Es seien Aufregergeschichten und Skurrilitäten, die online funktionierten, sagt er. Dass sie oft nachweislich falsch sind, spielt keine Rolle im Geschäft um Aufmerksamkeit.

Längst sind die Freiheitlichen aber nicht mehr nur auf herkömmliche Zeitungen angewiesen: Seit 2009 verbreiten sie eigene Aufreger über die Website unzensuriert.at, eine Art österreichisches Politically Incorrect. Hofer untermauerte in Fernsehdiskussionen seine Aussagen teils mit Berichten der Seite, als sei es sie ein herkömmliches Medium. Doch sind die Mitarbeiter der Plattform nicht öffentlich bekannt, Beiträge werden ohne Autorennamen veröffentlicht. Betrieben wird die Seite von FPÖ-Referent Walter Asperl, Gründer war der ehemalige FPÖ-Parlamentarier und dritte Nationalratspräsident Martin Graf. Beide sind Mitglieder in der rechtsextremen Wiener Burschenschaft Olympia.

Unzensiert.at bekommt exklusiven Zugang

Neben FPÖ-Parteiwerbung und dem „Video-Tipp“, einem Wöchentlichen YouTube-Video von Hofer, erscheinen täglich neue Hetzartikel. Profil analysierte sie mit dem Ergebnis, dass über Flüchtlinge, Muslime, die EU sowie Medien rein negativ berichtet wurde. Positiv hingegen: Trump und Russland.

„Unzensuriert.at ist einer der wichtigsten Player der österreichischen Rechten“, sagt Bernhard Weidinger vom Dokumentationsarchiv Österreichischer Widerstand (DÖW) zu ZEIT ONLINE. Das DÖW hat gemeinsam mit einer ungarischen Consultingfirma Artikel ausgewertet, die im September und Oktober auf unzensuriert.at erschienen sind. In dem mit fast 2.000 Mal am häufigsten geteilten Beitrag erzählt eine Wiener Krankenhausmitarbeiterin – anonym –, dass Asylbewerber bei Operationen bevorzugt behandelt werden. Die Meldung ist nachweislich falsch. Zwischen 25.000 und 50.000 Menschen besuchen das Portal nach eigenen Angaben.

Der FPÖ ist das recht, solange es ihren politischen Zielen nutzt. Ihre Fans bedrohen und beschimpfen kritische Journalisten auf Facebook. Als diese Ende Oktober vom „Kongress der Verteidiger Europas“, einem Treffen von Rechtsextremen in Linz, berichten wollten, ließen das die Veranstalter nicht zu. Offiziell aus dem Inneren hingegen informierte unzensuriert.at. Neben Identitären und Burschenschafter war der prominenteste Redner Herbert Kickl, einer der führenden Ideologen der Freiheitlichen – und Hofers Wahlkampfleiter.

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