In Frankreich haben die beiden konservativen Präsidentschaftsanwärter François Fillon und Alain Juppé in ihrem letzten Fernsehduell vor der entscheidenden Vorwahlrunde über den richtigen Reformkurs gestritten. Der Überraschungssieger der ersten Wahlrunde, Fillon, verteidigte sein Programm gegen die Kritik seines Herausforderers. „Mein Projekt ist radikaler und vielleicht auch schwieriger“, sagte er. Der als gemäßigt geltende Juppé erwiderte, auch er wolle Reformen, aber „ohne Brutalität“.
Fillon will unter anderem 500.000 Stellen im öffentlichen Dienst streichen und die Staatskassen um 100 Milliarden Euro entlasten. Zudem strebt er eine umfassende Reform des Gesundheitssystems an und setzt dabei auf mehr private Vorsorge. Juppé will nur halb so viele Stellen im Staatsdienst streichen und setzt die möglichen Einsparungen im Haushalt etwas niedriger an.
Fillon warf Juppé zu große Zaghaftigkeit vor: „Alain Juppé will nicht wirklich etwas ändern. Wenn man will, dass das Land wieder auf die Beine kommt, müssen sich alle anstrengen“, betonte er. Juppé entgegnete, er wolle das bestehende Sozialmodell verbessern und nicht „zerstören“.
Auch die wöchentliche Arbeitszeit in Frankreich wurde debattiert. Beide Kandidaten wollen die bestehende 35-Stunden-Woche ändern und die wöchentliche Arbeitszeit erhöhen. Ihre Positionen unterscheiden sich nur in Details. Juppé sagte: „Wir müssen mehr arbeiten.“ Die Franzosen würden weniger arbeiten als die Menschen in den Nachbarländern. Bei der realen durchschnittlichen Wochenarbeitszeit liegt Frankreich mit 40,4 Stunden jedoch nur leicht unter dem EU-Durchschnitt von 41,4 Stunden.
Fillon wie Juppé sprachen sich außerdem für eine Anhebung des Renteneintrittsalters von 62 auf 65 Jahre aus. Fillon hat zudem Steuererleichterungen für Unternehmen in Aussicht gestellt. Juppé versprach insbesondere, die hohe Jugendarbeitslosigkeit zu senken, die mit über 20 Prozent rund dreimal so hoch sei wie in Deutschland.
Einig waren sich die beiden ehemaligen Premierminister in ihrer scharfen Kritik an Amtsinhaber François Hollande: Der Sozialist habe sein Versprechen gebrochen, die Arbeitslosigkeit deutlich zu senken.
Laut dem Nachrichtensender Franceinfo, der die Debatte live übertrug, entwickelten beide Kandidaten keine neuen Ideen. Juppé habe versucht, sich kampfeslustiger zu zeigen; Fillon sei wie gewöhnlich ruhig geblieben.
Beziehungen zu Russland polarisieren
Derweil löste das Lob von Kreml-Chef Wladimir Putin für François Fillon in dessen Lager heftigen Widerspruch aus. „Das ist das erste Mal, dass der russische Staatschef seinen Kandidaten […] in einer französischen politischen Wahl aussucht“, kritisierte Juppé in dem TV-Duell. Putin hatte den 62-jährigen Kandidaten gelobt und von „sehr guten persönlichen Beziehungen“ gesprochen.
Fillon gilt als russlandfreundlich und tritt im Kampf gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) für eine Koalition mit der Regierung in Moskau ein. Fillon hatte zudem in einem Beitrag für die Zeitung Le Monde für das Ende der europäischen Sanktionen gegen Russland geworben.
Juppé sagte, als Staatspräsident würde er Putin sagen, dass er die russische Annexion der ukrainischen Schwarzmeer-Halbinsel Krim nicht akzeptiere. Auch das Minsk-Abkommen für einen Frieden in der Ukraine müsse eingehalten werden.
Fillon geht als Favorit in die Stichwahl der Konservativen um die Kandidatur für das Amt des Staatspräsidenten am Sonntag. Unter Präsident Nicolas Sarkozy war er von 2007 bis 2012 Premierminister. Sarkozy war am vergangenen Sonntag in der ersten Runde der Vorwahlen gescheitert; Fillon setzte sich mit gut 44 Prozent der Stimmen deutlicher durch als erwartet.
Bei der Präsidentschaftswahl wird es vor allem darum gehen, ob die Konservativen gegen die rechtsextreme Politikerin Marine Le Pen gewinnen können. Die Präsidentenwahlen sind für April und Mai 2017 geplant.
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