Wegen der dramatischen Corona-Situation sind die Krankenhäuser in Venezuela hoffnungslos überfüllt. Wer es sich nicht leisten kann, muss an Covid-19 erkrankte Angehörige zu Hause betreuen. Aber auch das kostet Geld.
Gabriela Rodríguez pflegt vier Verwandte, die an Covid-19 erkrankt sind. Auf Betten im Krankenhaus kann sie nicht hoffen – das Gesundheitssystem von Venezuela ist in der Corona-Pandemie völlig zusammengebrochen. Und die eigenen Ersparnisse hat die 31-Jährige längst aufgebraucht. Um Medikamente zu kaufen, hofft sie nun auf Spenden aus dem Internet. Damit gehört sie zu einer wachsenden Zahl von Venezolanern, die auf Websites wie GoFundMe nach Hilfe suchen.
Da Rodríguez ihren Job in einem Reisebüro wegen der Pandemie verlor, lebt sie von 80 Dollar (67 Euro) im Monat. Dann erkrankten ihre 59-jährige Mutter, ihre Großeltern mit 67 und 80 sowie ein Cousin mit 52 Jahren an Covid-19. „Das war ein Albtraum, ein Horror“, sagt die junge Frau.STERN PAID Manaus Interview 10.55
Weil es in dem von Inflation und Sanktionen geplagten Land zu wenig Krankenhausbetten gibt, pflegt Rodríguez ihre Verwandten zu Hause. Allein die Kosten für Medikamente schlagen mit 300 Dollar pro Tag zu Buche. Rodriguez verpfändete ihr Auto, was aber nicht reichte. Dann stellte sie einen Spendenaufruf über 5000 Dollar auf GoFundMe und bekam 1075 Dollar zusammen – Geld, das ihrer Mutter das Leben rettete, wie Rodriguez mit zitternder Stimme erzählt.
Angewiesen auf finanzielle Unterstützung aus dem Netz
Wie ganz Südamerika kämpft auch Venezuela mit einer heftigen neuen Pandemiewelle, die nach Angaben der Behörden von den infektiöseren Virusvarianten aus Brasilien angeheizt wird. Offiziellen Angaben zufolge hat Venezuela 165.000 Infektionsfälle und fast 1700 Tote, doch Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch halten diese Zahlen für viel zu gering.
Ein Bett in einem staatlichen Krankenhaus zu finden, wird von Tag zu Tag schwieriger, und die Kosten für Privatkliniken reichen von 1000 bis 3000 Dollar am Tag – unbezahlbar für die meisten Menschen. Sie weichen aus aufs Internet: Auf GoFundMe finden sich mehr als 2300 Aufrufe für alle Arten von Unterstützung, hauptsächlich für Medikamente und Sauerstoffflaschen.
„Helft mir, das Leben meiner Mutter zu retten“, heißt es in einem Spendenaufruf. „Helft meiner Großmutter, Covid-19 zu überstehen“, in einem anderen. “Ich weiß, dass niemand genug Geld hat“, schreibt ihrerseits Rodríguez. „Ich wäre sehr dankbar, wenn ihr mit einer Spende helfen könntet, egal wie klein.“
„Es heißt GoFundMe oder sterben.“
María Angelina Castillo bat während des Lockdowns 2020, als die Krankenhäuser unter der Zahl der Corona-Patienten kollabierten, auf GoFundMe um Hilfe für eine Krebsbehandlung. „Es gibt keinen anderen Weg“, sagt sie. „Es heißt GoFundMe oder sterben.“
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Jaime Lorenzo von der Nichtregierungsorganisation Médicos Unídos Venezuela betont, die Nachfrage nach Klinikbetten übersteige das Angebot bei Weitem: „Der Kollaps ist gewaltig.“ Nach Angaben des Gewerkschaftschefs Mauro Zambrano sind in der Hauptstadt Caracas „die Kliniken komplett voll“.
Die Regierung will in diesem Jahr eigentlich 70 Prozent der 30 Millionen Einwohner des Landes impfen, erhielt bisher aber nicht einmal eine Million Dosen. Dieses rare Gut wird nun vorrangig an Mitarbeiter des Gesundheitswesens, Lehrer und Regierungsbeamte ausgegeben.
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