Zunächst blockierten Russland und Syrien die Einreise. Nun ist das Expertenteam in Duma eingetroffen und hat die Arbeit aufgenommen. Die Frage: Wurde Giftgas eingesetzt oder nicht?

Einen Tag früher als angekündigt haben Chemiewaffenexperten nach Berichten syrischer Staatsmedien die Stadt Duma erreicht. Eigentlich sollten die zunächst in Damaskus blockierten Experten einer russischen Ankündigung zufolge erst am Mittwoch nach Duma reisen. Die Spezialisten waren am Samstag in der syrischen Hauptstadt eingetroffen, bekamen aber zunächst keinen Zutritt zu Duma. Großbritannien hatte Russland und Syrien vorgeworfen, die Ermittlungen zu blockieren. Das aber wies Russland entschieden zurück und begründete die Verzögerung mit „Sicherheitsfragen“.

Die neun internationalen Spezialisten der Organisation für ein Verbot der Chemiewaffen (OPCW) seien in der Stadt in Ost-Ghuta eingetroffen, berichtete die Nachrichtenagentur Sana. Sie sollen dort einen mutmaßlichen Giftgasangriff gegen Zivilisten untersuchen, für den westliche Staaten die syrische Regierung verantwortlich machen. 

Aus Sicherheitskreisen in Damaskus hieß es, das Team sei unter russischem Schutz in Duma eingefahren und sei zunächst zu einem Krankenhaus gebracht worden, in dem Opfer behandelt werden. Diese Angaben konnten zunächst nicht unabhängig bestätigt werden. Die Experten sollen demnach drei Tage in dem Gebiet arbeiten. 

Es gilt, die Fakten zusammenzutragen. Aber wie viele Antworten kann man von der OPCW erwarten? Sieben Fragen, sieben Antworten:

Was machen die OPCSW-Experten in Syrien?

Vorrangige Aufgabe ist die Sammlung und Sicherung von Proben, mit denen chemische Kampfstoffe nachgewiesen werden können. Dafür werden Boden- und Pflanzenproben sowie Blut-, Urin- und Hautproben von mutmaßlichen Opfern genommen. Die OPCW-Experten werden so schnell wie möglich arbeiten, um Spuren etwa von Chlor und Sarin zu finden, die nachweislich früher im Syrien-Krieg eingesetzt wurden. Die Inspektoren werden auch Zeugen befragen. Sie werden Rettungssanitäter, Überlebende und andere Personen interviewen, um herauszufinden, ob sie an Symptomen litten, die auf Chemikalien zurückzuführen sind.

Was ist elf Tage nach dem Anschlag überhaupt noch zu finden?

Das hängt natürlich davon ab, ob die Ermittler der OPCW uneingeschränkten Zugang zu dem Gebiet bekommen und ob sie auch Zeugen und Opfer befragen dürfen. Spuren können sie aber noch finden, sagt der Experte der OPCW, der deutsche Chemiker Ralf Trapp. „Zum Beispiel kann man noch Waffenreste finden mit Spuren des chemischen Kampfstoffes.“ Die Experten können auch Opfer medizinisch untersuchen nach Symptomen, die auf bestimmte Giftstoffe hindeuten.

Können Spuren auch beseitigt worden sein?

Das glaubt Trapp nicht. „Es ist nicht so einfach, Spuren zu beseitigen und Gebäude zu entgiften.“ Außerdem sind da auch noch die Zeugen, Ärzte und Opfer, die den Ermittlern wertvolle Hinweise geben könnten.

Als möglicher Kampfstoff wird Chlorgas genannt. Ist das noch nach einer Woche nachzuweisen?

Chlorgas ist wichtig für die Trinkwassersäuberung und nicht verboten, wohl aber der Einsatz als Waffe. Das Gas selbst verflüchtigt sich schnell, lässt sich aber durch seine Wirkung wie Lungenschäden nachweisen. „Wenn es Chlorgas war, dann findet man auch eine chemische Signatur“, sagt Trapp. Dann sollten die Experten auch in Gebäuden oder der Umwelt höhere Konzentrationen des Stoffes finden.

Aber könnte es auch etwas anderes gewesen sein?

Chlorgas aber auch das Nervengift Sarin waren bereits mehrfach im Syrien-Krieg eingesetzt worden. Und auch nun will der Chemiker Trapp nicht ausschließen, dass Sarin benutzt wurde. Darauf deuteten die Fotos von den Todesopfern hin, sagt er. Und Sarin ist „noch nach Wochen nachweisbar“, sagt er. Zum Beispiel in Bodenproben aber auch im Blut der Opfer.

Allgemeine Daten zur Organisation für ein Verbot der Chemiewaffen (OPCW). (Quelle: dpa)

Untersuchen die OPCW-Experten auch, wer verantwortlich war?

Die OPCW will als internationale Organisation nicht Partei ergreifen in dem Konflikt. Daher soll das Team nur feststellen, ob es überhaupt ein Angriff mit C-Waffen war und wenn ja, was für ein Stoff benutzt wurde. Aber die Untersuchungen könnten sehr wohl auch zum Täter führen. „Wenn sie etwa Reste einer Fassbombe finden, die nur von Hubschraubern abgeworfen werden konnte, dann weist das schon in eine bestimmte Richtung“, sagt Trapp. Denn die syrische Armee verfügt über Hubschrauber. Und dann wären da noch Aussagen möglicher Augenzeugen. Theoretisch kommen aber auch die Rebellen als Täter in Frage. Nur bei großen Mengen von Chemikalien ist das unwahrscheinlich. Dazu bräuchte man Experten mit Erfahrung.

Wann ist mit Ergebnissen der OPCW-Untersuchung zu rechnen?

Vor Ort braucht das Team sicher ein paar Tage, schätzt Trapp. Proben von Gewebe oder Umwelt müssen dann noch in OPCW-Labors untersucht werden. Das kann noch einmal zwei Wochen dauern. „Insgesamt muss man mit drei bis vier Wochen rechnen.“

Welche Sicherheitsrisiken gibt es für die Inspekteure?

In Duma gibt es nach dem Abzug der letzten Rebellen kaum noch Kämpfe. Dennoch ist der Einsatz der OPCW-Experten nicht ohne Risiko. Syrien und Russland haben erklärt, sie würden die Sicherheit der Inspektoren gewährleisten. Aber schon zwei Mal wurden OPCW-Inspektoren bei Einsätzen in Syrien angegriffen: Im August 2013 wurden sie bei der Untersuchung eines Einsatzes des Nervengifts Sarin nahe Ost-Ghuta von Heckenschützen beschossen. Im Mai 2014 wurde ein Konvoi mit OPCW-Inspektoren in der Stadt Kafr Sita in der Provinz Hama mit Sprengsätzen und Gewehren angegriffen. Die Inspektoren wurden sogar kurze Zeit festgehalten. Wer für den Angriff verantwortlich war, wurde nie gesagt.

Verwendete Quellen:

  • dpa, Reuters, afp, AP

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