Nach dem schweren Bootsunglück südwestlich von Griechenland sind nach offiziellen Angaben mindestens 79 Menschen ertrunken. Die griechischen Behörden gingen jedoch von weitaus mehr Toten aus. Bilder der griechischen Küstenwache zeigten auf dem Boot vor seinem Untergang mehr als 500 Passagierinnen und Passagiere. Die Suche soll die über Nacht fortgesetzt werden.
Gerettet wurden bislang 104 Menschen. Die Überlebenden wurden ins Krankenhaus und andere Unterkünfte der
Hafenstadt Kalamata auf der Halbinsel Peloponnes gebracht. Einige
mussten wegen Unterkühlung behandelt werden.
„An Deck des Schiffes waren die Menschen zusammengepfercht, das Gleiche vermuten wir auch für den Innenraum“, sagte ein Sprecher der Küstenwache dem Staatssender ERT. „Die Zahl ist in jedem Fall sehr hoch“. Die Behörden hatten zunächst unter Berufung auf Überlebende des Unglücks von gut 400 Menschen gesprochen. Die griechische Staatspräsidentin Ekaterini Sakellaropoulou sagte: „Wir werden wohl nie erfahren, wie viele Menschen wirklich an Bord waren.“
Schwangere Frauen und Kinder
Bei dem Boot soll es sich um ein bis zu 30 Meter langes stählernes Fischerboot gehandelt haben. Nach Angaben der Geretteten war es von der libyschen Stadt Tobruk aus in See gestochen. Unter den Passagieren seien Menschen aus Syrien, Pakistan, Afghanistan und Ägypten gewesen, darunter auch schwangere Frauen und etliche Kinder.
Schon am vergangenen Dienstag hatten italienische Behörden Griechenland über ein voll besetztes Fischerboot im griechischen Such- und Rettungsbereich informiert. Die Küstenwache und vorbeifahrende Frachter hätten den Passagieren per Funk wiederholt Hilfe angeboten. Diese hätten jedoch laut der griechischen Küstenwache abgelehnt. Stattdessen hätten sie angegeben, nach Italien weiterreisen zu wollen.
Als Ursache des Unglücks vermuten die Behörden eine Panik an Bord. Die Küstenwache habe das Boot nach der Kontaktaufnahme weiterhin beobachtet und plötzlich abrupte Bewegungen wahrgenommen, sagte der Sprecher. Dann sei das Boot gekentert und schnell gesunken. Am verhältnismäßig ruhigen Wetter habe es nicht gelegen, hieß es.
Seit 2014 mindestens 20.000 Tote
International gab es zunächst kaum Reaktionen auf das Unglück. Offiziell äußerte sich EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Sie sei zutiefst betrübt über die vielen Toten und sehr besorgt angesichts der Zahl der vermissten Menschen, twitterte sie: „Wir müssen weiterhin mit den Mitgliedstaaten und Drittländern zusammenarbeiten, um solche Tragödien zu verhindern.“
Erst vergangene Woche hatten sich die Innenminister der EU-Staaten nach langen Verhandlungen darauf verständigt, dass die Asylverfahren in der EU deutlich verschärft werden sollten. Unter anderem ist nun ein härterer Umgang mit Migranten ohne Bleibeperspektive vorgesehen. Auch sollen Asylverfahren in Zukunft an den Außengrenzen der EU – also unter anderem in Griechenland – abgewickelt werden. Die Einigung muss noch vom EU-Parlament bestätigt werden.
Griechenland hat die Kontrollen seiner Gewässer in den vergangenen Jahren bereits massiv verschärft. Deshalb wählen Schleuser und Geflüchtete zunehmend gefährlichere Routen von der Türkei und Staaten des Nahen Ostens südlich an Griechenland vorbei direkt nach Italien, um in die EU zu gelangen.
Seit 2014 sind nach UN-Angaben mehr als 20.000 Geflüchtete auf dem Mittelmeer gestorben. Ende Februar 2023 kam es in Italien vor der Küste Kalabriens zu einem Bootsunglück mit mindestens 90 Toten.
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