Mit scharfen Worten kritisiert der Bundesverband der Lesben und Schwulen in der Union (LSU) das neue Grundsatzprogramm der CSU, insbesondere den Passus zur Neuausrichtung in der Familienpolitik. „Wir bedauern sehr, dass die CSU in ihrem Grundsatzprogramm vereinfachte Schlagworte wie „Frühsexualisierung“ verwendet, ohne sie näher zu erläutern“, teilen der Bundesvorsitzende Alexander Vogt (CDU) sowie der bayerische LSU-Landessprecher Patrick Slapal (CSU) in einem Statement mit, das ZEIT ONLINE vorliegt.
Wörtlich heißt es auf Seite 10 im Grundsatzprogramm der CSU unter dem Stichwort „Freiheit für Familien“: „Eine Gesellschafts- und Bildungspolitik, die Gender-Ideologie und Frühsexualisierung folgt, lehnen wir ab. Unsere Familienpolitik beginnt mit dem Respekt vor der Wahlfreiheit der Eltern.“
Hintergrund ist ein Streit um Lehrpläne für Schulen, die vorsehen, auch Themen wie Homosexualität oder Transsexualität verpflichtend im Unterricht zu behandeln.
Wird die AfD nachgeahmt?
Die CSU bediene sich an Begriffen, „die auch in der politischen Debatte von ganz rechts verwendet werden, um eine Anpassung von Lehr- und Bildungsplänen an gesellschaftliche Realitäten zu diffamieren“, sagten Vogt und Slapal. Damit würde die CSU den Kräften rechts von ihr nur in die Hände spielen. „Die CSU läuft also auch familien- und bildungspolitisch der AfD aus taktischen Gründen hinterher“, schreiben die LSU-Vertreter.
Die Begriffe „Frühsexualisierung“ und „Gender-Ideologie“ stehen auch im Parteiprogramm der Alternative für Deutschland. Dort heißt es: „Die Gender‐Ideologie und die damit verbundene Frühsexualisierung, staatliche Ausgaben für pseudowissenschaftliche ‚Gender‐Studies‘, Quotenregelungen und eine Verunstaltung der deutschen Sprache sind zu stoppen.“
Beide Begriffe werden auch von christlichen Fundamentalisten auf den sogenannten Demos für Alle, wie neulich in Hessen oder Stuttgart, verwendet.
Aufklärung zu Akzeptanz wird mit Pädophilievorwurf verbunden
Verschiedene Bildungspläne der Bundesländer sehen vor, auch Themen wie Homosexualität oder Transsexualität im Unterricht verpflichtend zu behandeln. Dabei ist der politische Kampfbegriff Frühsexualisierung seit den 1968ern gerade in christlich konservativen Milieus eng mit dem Begriff der Pädophilie verknüpft. Die Gegner eines Bildungsunterrichts, der auch alternative Lebensentwürfe thematisiert, verbinden mit diesem Schlagwort die Lehre von Toleranz und Akzeptanz mit einer angeblichen Sexualisierung von Kindern.
Die Lesben und Schwulen in der Union sagen dazu: „Natürlich lehnen auch wir als LSU eine ‚Frühsexualisierung‘ von Kindern ab, wenn damit gemeint ist, Kinder in einem Alter mit Begriffen, Methoden, Praktiken und Materialien zu konfrontieren, die nicht für ihr Alter geeignet sind.“ Das Problem mit dem Begriff Frühsexualisierung sei aber, dass mit diesem allein schon die Thematisierung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften als Familienform bei Kindern im Grundschulalter angeprangert werde. „Wenn das bereits unter ‚Frühsexualisierung‘ zu verstehen ist, gehen wir nicht mit der Ablehnung konform“, schreibt der Bundesverband.
Der AfD hinterherzulaufen, sei nicht nur politisch zu bedauern, schreiben Vogt und Slapal weiter, sondern werde die CSU auch in der politischen Mitte Stimmen kosten. Laut einer jüngsten Meinungsumfrage sei dies bereits zu erkennen gewesen. Die AfD liegt in Bayern bei neun Prozent, und auch die FDP hat zunehmend Stimmen gewonnen und kommt mittlerweile auf sechs Prozent.
Die CSU, so die parteiinternen Kritiker, setze auf der einen Seite klare Akzente auf das, was sie nicht möchte. Es wäre aber wünschenswert, wenn sie auf der anderen Seite auch klare Akzente setzen würde, wofür sie sich ausspricht. Der Richtlinienentwurf für die Familien- und Sexualerziehung des Bayerischen Kultusministeriums sieht bereits jetzt vor, dass Schüler „Toleranz und Akzeptanz gegenüber sexuellen Orientierungen“ lernen sollen. Im CSU-Grundsatzprogramm fehlt der Passus hinsichtlich der Schulbildung. Auch Regenbogenfamilien bleiben unerwähnt, während die klassische Familie, Eineltern- oder Patchworkfamilien vorkommen.
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