Nein, den US-Amerikanern ist vor der alles entscheidenden Wahl am Dienstag kein ruhiges letztes Wochenende vergönnt. Denn am Sonntagnachmittag meldet sich FBI-Direktor James Comey zu Wort – nur neun Tage, nachdem er mit seinem Brief an den US-Kongress den Wahlkampf aufgemischt hat. Hillary Clinton sitzt gerade im Flieger in Richtung Ohio, Donald Trump steht in Minneapolis auf der Bühne. Zwei Tage noch. Endspurt. Und jetzt das: In einem neuen Schreiben ans Parlament erklärt Comey, das FBI habe alle kürzlich aufgetauchten Mails aus Clintons Umfeld überprüft. Ein Gesetzesbruch könne man ihr noch immer nicht nachweisen.

Keine 48 Stunden, bevor die ersten Wahllokale in den USA ihre Türen öffnen, schaltet sich der Chef der amerikanischen Bundespolizei zum zweiten Mal in den Wahlkampf ein. Und spricht Clinton frei vom Verdacht, absichtlich Staatsgeheimnisse auf ihrem privaten E-Mail-Server gelagert zu haben. Für Clinton ist das ein Geschenk. Für Comey hingegen eine riesige Blamage. Wenn doch nichts bei den Untersuchungen herausgekommen ist, warum hat er dann im Vorfeld so einen Wirbel verursacht?

Schließlich war er es, der den Wahlkampf der Demokratin ins Chaos gestürzt hatte, als er vor zwei Wochen ankündigte, die Ermittlungen gegen Clinton wieder zu eröffnen. In den Umfragen war sie eingebrochen, ihr Vorsprung von über sieben Prozentpunkten schrumpfte innerhalb weniger Tage auf nur noch drei Prozentpunkte zusammen. Trump holte auf, in den wichtigsten Swing States lagen die beiden plötzlich gleichauf. Comey hatte eine Kettenreaktion ausgelöst: Gerade schienen viele Wähler ihr Misstrauen gegenüber Clinton überwunden zu haben, da sprach er von neuen E-Mails. Und plötzlich kippte der Wahlkampf.

Neue altbekannte E-Mails

Nun gibt der FBI-Direktor offiziell Entwarnung: „Basierend auf unserer Überprüfung bleiben wir bei unserer Schlussfolgerung, die wir im Juli mit Blick auf Ministerin Clinton gezogen haben“, schrieb er an den Kongress. Damals hatte Comey Clinton zwar dafür kritisiert, „extrem fahrlässig“ mit ihren dienstlichen E-Mails umgegangen zu sein. Dass die Ex-Außenministerin absichtlich gegen geltendes Recht verstoßen hatte, konnten der Direktor und seine Leute jedoch nicht beweisen. Daran hat sich nichts geändert – denn das Material, dass Ermittler auf dem Laptop des Ex-Abgeordneten Anthony Weiner gefunden hatten, bestand offenbar vor allem aus Duplikaten von E-Mails, die Ermittler des FBI schon Monate zuvor gelesen hatte.

Warum also hat Comey mit seiner chaotischen Kommunikationsstrategie die Wahl so kurz vor dem Abstimmungstermin torpediert? Der FBI-Direktor, selbst langjähriger Republikaner, steht seit Beginn der Ermittlungen gegen Clinton unter enormem Druck. Seine ehemaligen Parteikollegen werfen ihm vor, zu lasch mit der Demokratin umzugehen und sie aus politischen Gründen zu schonen.

Wohl um diese Argumentation auszuhebeln, hatte Comey vor zwei Wochen den Kongress darüber informiert, dass neue Informationen zum Fall Clinton aufgetaucht waren – schließlich wollte er sich nach der Wahl nicht vorwerfen lassen, der Öffentlichkeit wichtige Details vorenthalten zu haben.

Doch Clintons Wahlkampf fiel daraufhin in sich zusammen. Comey versucht nun offenbar zu verhindern, dass er für eine mögliche Wahlniederlage der ehemaligen First Lady verantwortlich gemacht wird.

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