Berlin (dpa) – – Besonders gefährdete Afghaninnen und Afghanen können künftig über ein neues Bundesaufnahmeprogramm Schutz in Deutschland finden. Über das Programm sollen pro Monat künftig ungefähr 1000 Menschen einreisen, wie Innen- und Außenministerium am Montag in Berlin mitteilten. Dies entspreche der bisherigen Größenordnung in den vergangenen Monaten. Das Vorhaben hatten SPD, Grüne und FDP bereits im Koalitionsvertrag vereinbart.
Insbesondere seit der Machtergreifung der militant-islamischen Taliban im August 2021 müssen frühere Mitarbeiter ausländischer Streitkräfte und Hilfsorganisationen, so genannte Ortskräfte, sowie Menschenrechtsaktivisten mit Verfolgungen rechnen. Fast 26.000 Ortskräfte und besonders gefährdete Afghaninnen und Afghanen sowie deren Angehörige haben nach offiziellen Angaben bisher Aufnahme hierzulande gefunden. Aufnahmezusagen haben demnach bisher etwa 38 100 Afghanen bekommen – ungefähr zwei Drittel davon sind als bereits eingereist.
Profitieren sollen afghanische Staatsangehörige in Afghanistan, die sich für Frauen- und Menschenrechte eingesetzt haben oder wegen ihrer Tätigkeit in Justiz, Politik, Medien, Bildung, Kultur, Sport oder Wissenschaft besonders gefährdet sind. Auch Menschen, die wegen ihres Geschlechts, der sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität, ihrer Religion oder wegen besonderer Umstände des Einzelfalles verfolgt werden. Aufnahmekapazitäten fest im Blick
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) erklärte, Deutschland habe im EU-Vergleich mit Abstand die meisten Ortskräfte und besonders gefährdeten Afghanen aufgenommen. Zur Größenordnung der künftig geplanten Aufnahmen sagte sie: „Wir sehen die große Belastung der Kommunen durch die hohe Anzahl Geflüchteter, die wir in diesem Jahr bereits aufgenommen haben. Die Aufnahme- und Integrationsfähigkeit haben wir fest im Blick.“
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) betonte, man stehe vor einer Mammutaufgabe. „Zu erklären, dass wir Menschen aufnehmen, ist das eine – dafür zu sorgen, dass sie dann auch sicher aus Afghanistan heraus nach Deutschland kommen können, das andere. Es wird eine gemeinsame Kraftanstrengung, dass wir die Ziele auch erreichen, die wir uns gesteckt haben.“ Sie versprach: „Wir werden nicht lockerlassen.“
Bei der Konzeption des Aufnahmeprogramms hatte die Bundesregierung mit mehreren Verbänden und Nichtregierungsorganisationen zusammengearbeitet. Da die deutschen Vertretungen in Afghanistan geschlossen sind, stellt die Sicherheitsüberprüfung der Menschen, die von dem Programm profitieren sollen, eine Herausforderung dar. Auch die in ähnlichen Fällen übliche Zusammenarbeit mit dem UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) und der Internationalen Organisation für Migration (IOM) sei nicht möglich, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amts. Deshalb sollen unter anderem zivilgesellschaftliche Organisationen Menschen für die Aufnahme vorschlagen. Die Entscheidung trifft dann die Bundesregierung. Eine weitere Schwierigkeit ist für manche die Ausreise aus Afghanistan. Denn nur Menschen, die sich aktuell in Afghanistan aufhalten, sollen aufgenommen werden. Baldiger Start geplant
Die ersten Aufnahmezusagen sollen dem Sprecher zufolge in den nächsten Wochen erteilt werden. Aber auch bis das neue Programm in vollem Umfang läuft, sollten weiter Menschen nach Deutschland kommen können.
Der Grünen-Politiker Julian Pahlke sagte: „Auch wenn jede einzelne Person zählt, die aufgenommen wird, hätte ich mir einen größeren Umfang gewünscht, der nicht in den Gesamtzahl begrenzt ist.“ Der Bundestagsabgeordnete forderte: „Es braucht eine Erweiterung des Programms auch für gefährdete Menschen, die bereits in die Nachbarstaaten geflohen sind.“
Die fluchtpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Clara Bünger, nannte das Programm bürokratisch und unambitioniert. Auch sie bemängelte die Größenordnung: „Für viele Menschen, die in Afghanistan um ihr Leben und ihre Sicherheit bangen, wird es so absehbar noch Monate oder gar Jahre dauern, bis sie eine Aufnahmezusage für Deutschland bekommen können.“ Menschen stürben, während sie auf ihre Evakuierung warteten.
Von dpa
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