Offiziell bleibt alles beim Alten. Obwohl die EU-Kommission der Türkei in ihrem jüngsten Fortschrittsbericht erstmals einen „Rückfall“ bei den Justiz- und Bürgerrechten attestiert, will die Behörde an den Beitrittsgesprächen festhalten – vorerst jedenfalls.
Hinter den Kulissen aber zeigt sich, dass Europa von dieser Idee langsam Abstand nimmt. Das beginnt beim Geld: So ist die Kommission in den vergangenen Monaten stillschweigend dazu übergegangen, Finanzmittel, die eigentlich für die Vorbereitung des Beitritts vorgesehen sind, umzuwidmen. Sie werden nun zur Unterstützung syrischer Flüchtlinge genutzt, die oft schon seit Jahren in der Türkei leben. Dies belegen interne Unterlagen, die dem SPIEGEL vorliegen. (Lesen Sie hier die ganze Geschichte im neuen SPIEGEL.)
Worum geht es genau? Eigentlich ist vorgesehen, dass die EU von 2014 bis 2020 sogenannte Vor-Beitrittsgelder in Höhe von 4,5 Milliarden Euro ausgibt, um die Türkei fit für einen Beitritt zu machen. Das Geld wird beispielsweise zur Forschungsförderung oder zum Aufbau der Justiz eingesetzt.
Doch wegen der von Präsident Recep Tayyip Erdogan betriebenen Säuberungen nach dem gescheiterten Putsch vom Juli lässt sich der Zweck kaum noch erreichen, wie Haushaltskontrolleure des Europäischen Parlaments kürzlich bei einer Visite in dem Land festellen mussten.
So arbeitete etwa das Erasmus-Plus-Programm der EU mit 23 Hochschulen, fünf Schulen und zwei Jugendorganisationen zusammen, die nach dem gescheiterten Putschversuch geschlossen wurden. EU-Mittel zur Förderung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit können kaum mehr sinnvoll ausgegeben werden, weil eine Reihe von Partnern nicht mehr existieren.
„Gut angelegtes Geld“
Daher soll das Geld nun offenbar zumindest teilweise dort eingesetzt werden, wo es Europa wenigstens nutzt – bei der Unterbringung und Verpflegung der syrischen Flüchtlinge. Aus dem SPIEGEL vorliegenden Unterlagen geht hervor, dass bereits 1,2 Milliarden Euro umgewidmet wurden, beispielsweise um die Ausbildung syrischer Kinder oder den Aufbau von mehr als 500 Gesundheitseinrichtungen in der Türkei zu finanzieren.
60 Millionen Euro aus dem Beitrittsfonds sollen künftig zur Verpflegung und Unterbringung jener Flüchtlinge dienen, die Griechenland aufgrund des Flüchtlingsabkommens in die Türkei zurückschickt.
Die Haushaltskontrolleure des EU-Parlaments kritisieren zwar die Heimlichtuerei der Kommission, begrüßen in der Sache aber die Umwidmung: „Angesichts der humanitären Katastrophe in Syrien ist das gut angelegtes Geld für uns und für die Türken“, sagt der CDU-Abgeordnete Markus Pieper.
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