Chemiewaffen, Massengräber und Leichen, die auf offener Straße zur Schau gestellt werden: Die Vereinten Nationen (UN) berichten über neue Gräueltaten der Extremistenmiliz „Islamischer Staat“ (IS) im Irak. In der umkämpften Stadt Mossul hätten die Extremisten 40 Zivilisten hingerichtet und ihre Leichen an Strommasten aufgehängt, sagte eine UN-Sprecherin in Genf. Auf der Kleidung der Toten stand demnach mit roter Schrift: „Verräter und Agenten der irakische Spezialkräfte.“

Die Opfer seien des Verrats und der Kollaboration mit den verfeindeten irakischen Truppen beschuldigt worden, berichtet das UN-Menschenrechtsbüro. Weitere 20 Zivilisten seien wegen ähnlicher Vorwürfe erschossen worden – einer von ihnen, weil er sein Mobiltelefon nutzte. Sechs weitere Menschen seien erhängt worden, weil sie SIM-Karten versteckt hielten – und damit gegen die Regel des IS verstoßen hatten, alle SIM-Karten auszuhändigen.

Die UN berufen sich auf irakische Informanten. Darunter sei auch ein Mann, der sich bei einer Massenexekution tot gestellt und so überlebt habe, sagte die Sprecherin. IS-Kämpfer seien mit Autos durch die Straßen gefahren, an denen Lautsprecher montiert waren. Darüber warnten sie die Menschen in Mossul: Wer desertiere, werde getötet. Außerdem habe der IS selbst erklärt, er habe sechs seiner Anhänger geköpft, da sie während der Kämpfe um Mossul desertiert seien.

Die UN berichten weiter, an einem kürzlich entdeckten Massengrab mit 100 Leichen in dem Ort Hammam al-Alil habe sich eine von mehreren Hinrichtungsstätten des IS befunden. Unter den Toten seien nicht nur irakische Soldaten und Gefangene des IS gewesen, sondern auch Menschen, die zum Aufstand gegen den IS aufgerufen hätten, seit die irakischer Armee ihren Angriff am 17. Oktober startete. Weitere Leichen seien etwa in den Tigris oder einen Brunnen in einem Vorort von Hammam al-Alil geworfen worden.

Inzwischen gebe es auch vereinzelt Berichte über Rachemorde der anderen Seite: etwa der irakischen Bevölkerung und Armee.

Hinweise auf Chemiewaffeneinsatz

Seit fast vier Wochen versucht die irakische Armee, Mossul mit einer Großoffensive zurückzuerobern. Den UN zufolge schickt der IS inzwischen mit Sprenggürteln ausgerüstete „Söhne des Kalifats“ – vermutlich Jungen im Teenageralter oder jünger – in die Altstadt von Mossul. Verschleppte Frauen werden den UN zufolge IS-Kämpfern ausgeliefert. Anderen Entführten werde gesagt, dass sie für die Begleitung von IS-Konvois vorgesehen seien.   

Das UN-Menschenrechtsbüro hat außerdem Hinweise auf den Einsatz von Chemiewaffen durch den IS außerhalb des Mossuler Stadtgebiets. Vier Menschen seien am 23. Oktober nach dem Einatmen von Dämpfen gestorben, nachdem der IS die Schwefelgasfabrik Al-Mischrag in Mossul bombardiert und in Brand gesetzt habe, sagte die Sprecherin des UN-Büros, Ravina Shamdasani, in Genf.

Berichte deuteten darauf hin, dass der IS große Mengen an Ammoniak und Schwefel gelagert habe, sagte Shamdasani. Sie würden in Gebieten aufbewahrt, in denen Zivilisten lebten. Internationales Recht verlange, dass Zivilisten in der Nähe solcher Chemikalien geschützt würden.

Seit Beginn der irakischen Offensive zur Rückeroberung Mossuls vom IS am 17. Oktober sind den UN zufolge etwa 48.000 Menschen aus der zweitgrößten Stadt des Landes geflohen.

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