Seit April saß die deutsche Journalistin Mesale Tolu in einem türkischen Gefängnis – nun darf sie die Haftanstalt verlassen. Das hat ein Gericht in Istanbul entschieden. Neben Tolu dürfen fünf weitere Inhaftierte das Gefängnis verlassen.
Allerdings erließ das Gericht gegen alle sechs Angeklagten eine Ausreisesperre, wie SPIEGEL-Reporter Maximilian Popp und weitere Beobachter aus dem Gericht übereinstimmend mitteilten. Tolu wird damit bis zu einem Urteil in dem Verfahren auf freien Fuß gesetzt, muss sich aber jede Woche bei der Polizei melden. Der Prozess wird im April fortgesetzt.
Ihr Vater, Ali Riza Tolu, sagte nach der Entscheidung: „Heute bin ich der glücklichste Mensch der Welt. Wir werden jetzt nach Hause fahren und alle zusammen feiern.“
2017 sei ein schwieriges Jahr gewesen, das er nie vergessen werde. Man habe Mesale siebeneinhalb Monate ihres Lebens gestohlen, sagte ihr Vater. Heute sei er mit einem guten Gefühl aufgestanden. „Ich kann immer noch nicht glauben, dass sie jetzt frei ist. Ich bin immer noch sprachlos.“ Er glaubt, das sich das deutsch-türkische Verhältnis bessere: „Bald kommt auch Deniz Yücel frei.“
Schon Stunden vorher hatte die Istanbuler Staatsanwaltschaft die Freilassung der deutschen Journalistin beantragt. Die Staatsanwaltschaft hatte bisher behauptet, Tolu sei Mitglied einer Terrororganisation und habe Propaganda betrieben.
Der Journalistin wird zur Last gelegt, an zwei Gedenkveranstaltungen für kurdische Kämpferinnen, die im Krieg gegen den IS gefallen sind, teilgenommen zu haben, außerdem an einer Demonstration für Frauenrechte und einer Beerdigung für Mitglieder einer verbotenen kommunistischen Partei.
Zum Auftakt des Verfahrens hatte das Gericht es am 11. Oktober abgelehnt, die Deutsche bis zu einem Urteil in dem Verfahren auf freien Fuß zu setzen.
Ende November war ihr Ehemann aus der Haft entlassen worden*. Er war ebenfalls zunächst wegen Terrorverdachts inhaftiert worden. Die Bundesregierung hat vergeblich gegen Tolus Verhaftung protestiert.
Reaktion der Bundesregierung
Außenminister Sigmar Gabriel zeigte sich erfreut über die Freilassung. „Das sind nicht nur gute Nachrichten, sondern das ist auch eine immense Erleichterung“, sagte der SPD-Politiker am Montag. „Ich glaube, wir alle in Deutschland – und auch ich persönlich – freuen uns mit Mesale Tolu über die Entscheidung des Gerichts. Damit ist das Verfahren noch nicht beendet, aber ein erster, großer Schritt ist damit gemacht“, sagte er.
Aus dem Auswärtigen Amt wurde darauf hingewiesen, dass sich weiterhin deutsche Bürger „unter haarsträubenden Vorwürfen in türkischer Haft“ befänden, darunter der Journalist Deniz Yücel. „Natürlich ist unsere Freude nicht ungetrübt“, sagte eine Sprecherin des Auswärtigen Amts zudem mit Blick auf die Auflagen gegen Tolu. Man setze sich weiter dafür ein, dass das Verfahren gegen Frau Tolu ganz zu Ende gehe, sagte die Sprecherin. Gleichwohl sei deren Entlassung aus der Haft erst einmal „eine tolle Sache“.
Auch Regierungssprecher Steffen Seibert äußerte sich bei aller Freude zurückhaltend: „Wir müssen sehen, was das bedeutet, und ob das die endgültige Freiheit bedeutet, die Frau Tolu zusteht“, sagte er in Berlin. Die Bundesregierung freue sich aber „ganz einfach menschlich für sie, dass sie nach diesen sieben schwierigen Monaten wieder mit ihrem Kind und ihrem Mann zusammen sein kann“. Das Engagement der Bundesregierung werde gleichwohl weder in diesem noch in anderen Fällen nachlassen, hob auch Seibert hervor.
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