Nach einem Schiffsbruch vor der Küste Italiens mit mindestens 70 toten Migranten hat die rechte Ministerpräsidentin Giorgia Meloni die Polizei und die Küstenwache für deren Vorgehen in der Unglücksnacht verteidigt. Knapp eine
Woche nach dem Unfall vor der Küste der süditalienischen Region
Kalabrien sagte Meloni: „Unsere
Behörden sind von Frontex nicht wegen einer Notsituation kontaktiert worden.“
Die europäische Grenzschutzbehörde Frontex hatte das Holzboot am Abend
des 25. Februar von einem Flugzeug aus erfasst und die Sichtung nach Rom
gemeldet. Wenige Stunden später sank das Boot bei hohem Wellengang, offenbar weil es an einem Felsen zerschellt war. Zwei von italienischen
Behörden entsandte Patrouillenboote mussten wegen des schlechten Wetters umkehren.
Italienische Justiz ermittelt
Die italienische Justiz untersucht derzeit, weshalb die
Rettungsdienste so lange gebraucht haben, um das aus der Türkei kommende
Flüchtlingsboot mit etwa 200 Migranten an Bord zu erreichen. Die Staatsanwaltschaft der nahegelegenen Stadt Crotone
leitete am Donnerstag Ermittlungen zu dem Rettungseinsatz ein.
Italiens Regierung hatte bereits mitgeteilt, dass in jener Nacht nicht
die Küstenwache – und deren für Notfälle ausgestatteten Schiffe – sondern die
für Grenzangelegenheiten zuständige Finanzpolizei ausgerückt war. Bei hohem
Seegang kehrten deren zwei Schiffe aber schnell zurück in den Hafen, ohne das Boot
mit den Migranten entdeckt zu haben.
Derweil fanden Suchmannschaften an einem Strandabschnitt mehrere Kilometer
vom Unglücksort entfernt den leblosen Körper eines Jungen. Am Morgen war bereits
die Leiche eines anderen Kindes angespült worden. Die Opferzahl stieg damit auf
70, wie ein Kommandant der Carabinieri auf Anfrage bestätigte. Es werden noch
weitere Menschen vermisst; rund 80 Menschen haben das Unglück überlebt.
Bürgermeister kritisiert Meloni
Der Bürgermeister von Crotone, Vincenzo Voce, übte in einem offenen Brief Kritik an Meloni.
„Die von großem Schmerz geplagte Gemeinde Crotone hatte von Ihnen eine
Botschaft, einen Appell, ein Zeichen erwartet – was nicht geschah“,
schrieb Voce. Die Ministerpräsidentin erwiderte: „Ich suche nach Lösungen. Italien
kann das Problem nicht allein lösen – aber um zu verhindern, dass noch
mehr Menschen sterben, müssen wir die illegale Ausreise stoppen.“
Am Rande einer Reise in Abu Dhabi zeigte sich Meloni „ein bisschen
getroffen“ von der Kritik, dass Italien geschlampt hätte in jener
Nacht. „Gibt es in diesem Land jemanden, der wirklich meint, dass diese
Regierung bewusst mehr als 60 Leute sterben ließ, darunter Kinder?“,
fragte sie. „Glaubt denn jemand, die Regierung hätte 60 Menschen retten
können und darunter ein Kind von etwa drei Jahren, dessen Leiche wir heute erst
gefunden haben, es dann aber nicht machte? Ich bitte euch!“
Meloni war auch dafür kritisiert worden, dass sie bislang nicht selbst an
den Unglücksort gereist ist. Dazu sagte die Regierungschefin, dass schon am
ersten Tag nach der Katastrophe der zuständige Innenminister in Kalabrien
gewesen sei. Zuletzt besuchte zudem Staatspräsident Sergio Mattarella den Ort
Crotone, wo die Toten in Särgen in einer Sporthalle aufgebahrt sind. Meloni
kündigte an, in jener Gegend eine der nächsten Sitzungen des Ministerrats
abhalten und dort über Migration sprechen zu wollen.
Mittelmeerstaaten fordern Hilfe von anderen EU-Ländern
Vor dem Hintergrund des Unglücks haben fünf ans Mittelmeer angrenzende EU-Staaten vom Rest der
Europäischen Union mehr Solidarität bei der Aufnahme von Migranten gefordert. Man könne nicht ständig mehr Verantwortung von den Mittelmeerstaaten
verlangen, in denen die meisten Migranten ankommen, wenn es
gleichzeitig keinen verpflichtenden Mechanismus gebe, diese auf die
gesamte EU aufzuteilen, sagte der griechische Migrationsminister Notis
Mitarachi in Maltas Hauptstadt Valletta.
Einer der Hauptkritikpunkte der fünf Staaten ist, dass die
Verteilung von Migranten auf die restliche EU auf freiwilliger Basis nicht
funktioniere. Mitarachi sagte, dass nur ein Prozent der in den fünf
Ländern angekommenen Migranten im vergangenen Jahr von anderen
EU-Staaten aufgenommen worden seien.
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