Tokio – Die in Japan regierende Liberaldemokratische Partei (LDP) von Ministerpräsident Fumio Kishida ist am Sonntag in Erwartung eines Sieges in die Wahl zum Unterhaus gegangen.
Letzten Umfragen zufolge dürfte die LDP mit ihrem kleineren Koalitionspartner Komeito die Mehrheit in der maßgeblichen Kammer des Parlaments verteidigen können. Sie muss jedoch deutliche Sitzverluste befürchten. Die Wahllokale schließen in Japan um 20.00 Uhr Ortszeit (12.00 Uhr MEZ). Die Auszählung der Stimmen dürfte bis in die späte Nacht dauern.
Der frühere Außenminister Kishida war erst kürzlich zum Regierungschef gewählt worden. Er erhofft sich ein Mandat seines Volkes für seine Politik zur Bekämpfung der Corona-Pandemie und Ankurbelung der Wirtschaft sowie für seine Sicherheitspolitik. Zugleich gilt die Wahl als Referendum über fast neun Jahre LDP-Herrschaft unter Kishidas Vorgängern Shinzo Abe und dessen Gefolgsmann Yoshihide Suga.
Der langjährige rechtskonservative Ministerpräsident Abe, der den reaktionären Flügel der seit sechs Jahrzehnten fast ununterbrochen in Japan regierenden LDP anführt, übt weiterhin starken Einfluss aus, was in der Bevölkerung zunehmend auf Unmut zu stoßen scheint.
Kishida hatte vor seiner Wahl zum Regierungschef einen «neuen Kapitalismus» versprochen, der die verschärfte Kluft zwischen Arm und Reich verringern soll. Damit distanzierte er sich vom jahrelangen wirtschaftspolitischen Neoliberalismus unter Abe und grub mit seinem Ruf nach wirtschaftlicher Umverteilung der Opposition das Wasser ab.
«Schnell musste Kishida jedoch wieder zurückrudern», so Sven Saaler, Professor für moderne japanische Geschichte an der Sophia-Universität in Tokio. Im innerparteilichen Kampf um den LDP-Vorsitz gegen den reformorienten und im Volk beliebten Taro Kono brauchte Kishida jüngst die Unterstützung der Machtgruppe um Abe. Dies zeigte sich an Kishidas Besetzung wichtiger Partei- und Kabinettsposten. Diese Personalpolitik habe ihn viel an Popularität gekostet, meinte Saaler.
Die LDP dürfte den Umfragen zufolge zwar auf eine absolute Mehrheit von mindestens 233 Sitzen kommen, jedoch viele ihrer bisherigen 276 Mandate einbüßen. Neben 289 Direktmandaten werden 176 Sitze in der Kammer durch Verhältniswahlrecht vergeben. In Dutzenden Wahlkreisen lieferten sich die Kandidaten der Regierungskoalition ein hartes Kopf-an-Kopf-Rennen mit Kandidaten, auf die sich Oppositionsparteien wie die sozialdemokratisch orientierte Partei der Konstitutionellen Demokratie (PKD) und auch die Kommunistische Partei Japans geeinigt hatten. Doch diese Strategie dürfte nur von begrenzter Wirkung sein.
© dpa-infocom, dpa:211031-99-803759/3
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