Der Bürgermeister von Los Angeles unterzeichnete eine Verordnung, mit der der öffentliche Raum geschützt werden soll. Nur: Die mehr als 41.000 Obdachlosen dürfen in vielen Bereichen der Stadt damit nicht einmal mehr sitzen. 

Im kalifornischen Los Angeles sollen obdachlose Menschen und ihre Camps zukünftig möglichst aus der Stadt verbannt werden. Der demokratische Bürgermeister der Stadt, Eric Garcetti, gab den Weg für eine Verordnung frei, die die Existenz von Wohnungslosen in den meisten öffentlichen Bereichen so gut wie unmöglich macht. Doch worum geht es in dem Gesetz genau? 

Bereits am vergangenen Donnerstag unterzeichnete Garcetti den Beschluss zur Überarbeitung des städtischen Anti-Camping-Gesetzes. Die Verordnung soll 30 Tage nach der Unterschrift in Kraft treten und dem erweiterten Schutz der Öffentlichkeit und diverser Bereiche des gemeinschaftlichen Lebens dienen. Praktisch dürfte sie aber vor allem für Menschen ohne festen Wohnsitz ein großes Problem darstellen. 

Denn in der strengen Regelung heißt es, dass nicht mehr nur das Zelten, sondern auch das Sitzen, Liegen, Schlafen und das Lagern persönlicher Gegenstände in Teilen der Stadt verboten sind. Kurzum: alles, was die Öffentlichkeit in irgendeiner Form behindern könnte. Was diese Öffentlichkeit genau umfasst, definiert der Beschluss detailliert. 

Obdachlose Florida 1745

Los Angeles: Bürgersteige und Parks sind Tabu 

So stehen auf der Liste der verbotenen Bereiche die Umkreise von Hydranten, Einfahrten und Ausgänge, Ein- und Abladeflächen und solche, die zur Barrierefreiheit von Menschen mit Behinderungen gekennzeichnet sind. Die neue Verordnung betrifft aber auch alle Bereiche im Umfeld von Straßen und Radwegen – also auch Bürgersteige und Unterführungen – und “sensible“ öffentliche Einrichtungen: etwa Schulen, staatliche Büchereien und sogar Parks. Selbst im Umfeld mancher Obdachloseneinrichtungen dürfen sich Menschen nicht in hinderlicher Art aufhalten. 

Wie viel Fläche der Stadt die Verordnung tatsächlich umfasst, zeigt ein Team aus Forschenden zweier Fakultäten der Universität von Los Angeles auf einer interaktiven Karte. Dort sind alle Bereiche markiert, in denen sich Obdachlose nicht länger aufhalten dürfen – inklusive der dazugehörigen Umkreise. Dabei könne aufgrund fehlender oder doppeldeutiger Daten sogar noch davon ausgegangen werden, dass insgesamt noch weniger Fläche zur Verfügung stehe als erwartet, schreibt das Forschungsteam in einem Artikel zur Karte. 

“Mit der vorgelegten Regel müsste man Menschen mehr Unterkünfte zur Verfügung stellen“, so das Fazit der Verfassenden. Die Daten der städtischen Behörden zeigten aber, dass es nach wie vor nicht genügend Unterbringungsmöglichkeiten für die mehr als 41.200 obdachlosen Menschen (Stand: 2020) in Los Angeles gebe: So stünde nur für etwa jede dritte obdachlose Person ein Bett zur Verfügung. 

Verordnung aus Los Angeles kommt mitten in der Corona-Pandemie

Auch der demokratische Politiker Mike Bonin kritisiert die Verschärfung des Gesetzes. Er ist eines von zwei Mitgliedern des Stadtrats von Los Angeles, die gegen die Verordnung gestimmt haben. Man würde Menschen sagen, wo sie nicht schlafen dürfen, so Bonin, aber nicht, wo sie schlafen können. Bonin war laut eigenen Aussagen selbst einst obdachlos: „Ich kann Ihnen nicht sagen, wie demotivierend und entwürdigend es ist, wenn man nicht weiß, wo man schlafen kann“, sagte der Politiker im Stadtrat. 

Die Entscheidung zu der restriktiven Verordnung kommt für viele Bürger und Bürgerinnen zu einem besonders heiklen Zeitpunkt. Am Samstag endete ein nationales Räumungsverbot der US-Regierung, das Menschen in der Corona-Pandemie vor der Wohnungslosigkeit bewahren sollte. Obwohl das Verbot für einzelne Regionen kurzfristig bis zum 3. Oktober verlängert wurde, droht vielen US-Amerikanern und -Amerikanerinnen nun ein Leben auf der Straße.

Essay Bidens Sieg Jan

Tritt die neue Verordnung Garcettis in Kraft, warten zumindest in Los Angeles neben den prekären Lebensbedingungen auch noch Sanktionen: Verstöße gegen die Verordnung werden mit Geld- und sogar Haftstrafen geahndet. Der Stadtrat plane, die gesperrten Bereiche zukünftig mit Hinweisschildern zu versehen und mehr Sozialarbeiter und Sozialarbeiterinnen einzusetzen, heißt es. 

Das Problem mit der Wohnungslosigkeit in der Stadt wird dadurch aber ziemlich sicher nicht gelöst – sondern im wahrsten Sinne des Wortes verdrängt. 

Quellen: Verordnung der Stadt Los Angeles (PDF), LA Times, FOX LA, Los Angeles Homeless Services Authority

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