Da lenkt die Kanzlerin das Land passabel durch die Corona-Zeiten und schon kommt die Idee auf, sie solle doch noch einmal weitermachen und die kommende Krise gleichsam wegmerkeln. Gut, dass Angela Merkel bei ihrem Nein bleibt.
Als Phantomschmerz definiert die Medizin jenen Schmerz, den Menschen in einem Körperteil empfinden, der nicht mehr vorhanden ist, meist infolge einer Amputation. Vielen Deutschen scheint allein die Aussicht, dass Angela Merkel eines gar nicht allzu fernen Tages nicht mehr Kanzlerin ihres Landes sein wird, bereits heute eine Art vorgezogenen Phantomschmerz zu bereiten.
Sie ist ihnen ans Herz gewachsen, wegen und trotz 15 Jahren Kanzlerschaft. Ihre putzige Sperrigkeit. Ihre oft beklagte und noch öfter besungene „nüchterne Art der Wissenschaftlerin“. Sie schätzen ihre „kleinen Schritte“, ihr „Fahren auf Sicht“ deutlich mehr als alles Visionäre – und was für Normalzeiten gilt, zählt in der Krise doppelt.PAID STERN 2020_19 Jörges: Der gute König 10.25
Gut durch die Krise – nur Aluhüte widersprechen
Nur Aluhüte würden bestreiten, dass sie das Land gut durch die Coronakrise navigiert. Sie und ihre längst tot gesagte GroKo, so viel Zeit soll sein. Das nährt bei vielen Menschen offenbar die Hoffnung, sie würde auch die daraus resultierende Wirtschaftskrise gleichsam wegmerkeln. Mit 130 Milliarden Euro lässt sich einiges kaufen, auch Wohlwollen im Publikum. Spendierhosen machen beliebter als zugenähte Taschen.
Diese Krise, betont die Kanzlerin sodann, sie sei nun mal „die schwerste in der Geschichte des Bundesrepublik Deutschland“ – was ihr prompt die Gretchenfrage einträgt: Ob sie denn manchmal darüber nachdenke, „dass Sie vielleicht in Verantwortung bleiben müssen, vielleicht auch für eine nächste Kanzlerkandidatur zur Verfügung stehen…?“ ZDF-Moderatorin Bettina Schausten hatte die Frage kaum ausgesprochen, da schoss es aus Merkel heraus: „Nein! Nein! Wirklich nicht!“ Und dann lächelte sie ihr Merkel-Lächeln als wäre sie längst schon so etwas wie das Maskottchen dieses Landes. Und sie sah wahrlich glücklich dabei aus. Keine Spur von vorgezogenem Phantomschmerz.
Podcast Stunde Null: Francis Fukuyama: „Angela Merkel ist ein Vorbild, dem man nacheifern sollte“_13.40Uhr
Angela Merkel: Im Herbst 2021 ist wirklich Schluss
Spätestens im Herbst 2021, nach der Bundestagswahl ist definitiv Schluss. So manch Bürger hatte von Anderem geträumt, aus schierer Sorge beim bangen Blick hinaus in die wilde weite Welt.
Sie blicken nach Westen, wo Donald Trump eine ganze Nation in den Abgrund stürzt. Und während sich ein Großteil der von ihm regierten Bürger noch immer in „the greatest country in the world“ wähnt, fragt sich man anderer schon bange, ob dieser Präsident im Falle seiner Abwahl das Weiße Haus aus freien Stücken räumen würde.
Und sie schauen gen Osten, wo in Moskau Merkles ewiger Widerpart Wladimir Putin regiert, der gerade mittels eines Staatsstreichs von oben versucht, sich im Extremfall bis 2036 an der Macht zu halten.
ZDF Was nun, Merkel
Weitere Amtszeit wäre eine Zumutung
Natürlich will niemand sowas hier schon in Amt und Würden. Aber natürlich ist jeder (es sind bislang nur Männer genannt), der sich hierzulande warmläuft, Lichtjahre von den Extremen entfernt – Laschet, Merz, Söder oder, man kann ja nie wissen, Scholz? Dem Bayern Söder werden derzeit die größten Chancen auf die Merkel-Nachfolge eingeräumt… „Lese ich in der Zeitung“, sagt Merkel dazu nur und lächelt. Das lässt sich in zweierlei Hinsicht verstehen: Die Frage, wer es wird oder nicht werden darf, raubt ihr keine Sekunde den Schlaf. Und: Es kümmert sie auch nicht mehr.
Sie empfinde diese Corona-Pandemie als „Zumutung“, hat Merkel gesagt. Größer wäre wohl nur die Zumutung, eine weitere Amtszeit als Kanzlerin dienen zu müssen. Für sie. Und für die Demokratie.
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