Die Kritik an der jüngsten Aktion der Klima-Protestgruppe „Letzte Generation“ ist groß. Völlig inakzeptabel, hochriskant, skrupellos, heißt es. Die Aktivisten kündigen nun eine Pause der Proteste an.
Die Klimaaktivisten der Gruppe „Letzte Generation“ werden eigenen Angaben zufolge bis zum Ende der kommenden Woche keine Protestaktionen in Berlin und München mehr absolvieren. Wie die Gruppe am Abend mitteilte, hofft sie auf Taten in der letzten Sitzungswoche des Bundestags im laufenden Jahr. Gleichzeitig warnte sie vor einem Neustart der Proteste mit mehr Schlagkraft.
Man werde die Zeit nutzen, um „die vielen Menschen, die sich der Bewegung aktuell anschließen, ordentlich zu trainieren und einzubinden, um mit noch mehr Menschen wiederzukommen“. Die Bundesregierung könne im Kampf gegen den Klimawandel noch handeln. „Es ist keine Frage des Könnens, sondern des Wollens, und wir dürfen nur inständig hoffen, dass sie ihrer Verantwortung noch gerecht wird“, hieß es in der Mitteilung.
Die Klimaaktivisten der „Letzten Generation“ waren am Donnerstag und Freitag heftig in die Kritik geraten, nachdem einige von ihnen am Hauptstadtflughafen BER den Flugbetrieb lahmgelegt hatten. Die Aktivisten kletterten dazu durch den Sicherheitszaun und gingen auf das Flughafengelände. Zahlreiche Politiker forderten Konsequenzen bis hin zur Ausweitung des Präventivgewahrsams im Bundespolizeigesetz.
„Ich denke, wir alle – Gesellschaft und Politik – können eine Verschnaufpause gut gebrauchen, um die erhitzten Gemüter etwas zu beruhigen“, wurde Sprecherin Aimée van Baalen zitiert.
Das war zuvor passiert
Aktivisten in orangen Warnwesten durchknipsen einen Zaun am Hauptstadtflughafen und marschieren auf das Gelände. Einige von ihnen kleben sich am Boden fest – und legen den Betrieb am BER in Schönefeld lahm. Die jüngste Aktion der Klima-Protestgruppe „Letzte Generation“ war am Donnerstagnachmittag im Livestream bei Twitter zu verfolgen – und hat aus Sicht vieler Politiker endgültig eine Stufe erreicht, die nicht mehr hinzunehmen ist. Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) will bei der Innenministerkonferenz in der kommenden Woche in München ein länderübergreifendes Vorgehen ansprechen.
„Ich kann nur eindringlich davor warnen, diesen Weg der Eskalation weiterzugehen“, sagte Spranger. Ihre Behörde werde „weiter sämtliche rechtsstaatlichen Mittel zur Verhinderung dieser Gefahren und im Kampf gegen diese Straftaten ausschöpfen“, kündigte sie an. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) warb für harte Strafen. „Bin für die volle Härte des Gesetzes“, twitterte er.
Wenn Leben gefährdet würden und Menschen nicht in den Urlaub könnten, sei das nicht akzeptabel, sagte der Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour dem Fernsehsender Welt. Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) nannte die Aktion „vollkommen inakzeptabel“. Die Sonderbeauftragte für internationale Klimapolitik im Auswärtigen Amt, Jennifer Lee Morgan, mahnte in der „Berliner Morgenpost“, jeder Einsatz für den Klimaschutz müsse im Rahmen der Gesetze der Demokratie bleiben.
Die CSU im Bundestag fordert eine Änderung des Bundespolizeigesetzes. „Für Straftaten wie die jüngste Störung des Flugbetriebs am BER durch sogenannte Klimaaktivisten muss auch der Präventivgewahrsam imBundespolizeigesetz ausgeweitet werden“, sagte Andrea Lindholz den Zeitungen der Mediengruppe Bayern. Nach Verkehrsblockaden in München befinden sich dort noch 19 Aktivisten in längerem Polizeigewahrsam. Das ist aufgrund des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes möglich. Danach können Bürger auf Grundlage einer richterlichen Entscheidung bis zu einen Monat lang festgehalten werden, um die Begehung einer Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit oder eine Straftat zu verhindern.
Klimademonstranten im Vorfeld an Aktionen hindern
Berlins Innensenatorin nannte noch keine Details zu ihren Plänen. Von einem Sprecher des Innenressorts hieß es, durch ein gemeinsames Vorgehen der Länder sollten Klimademonstranten nach Möglichkeit im Vorfeld an Aktionen gehindert werden.
„Uns geht es nicht um Beliebtheit“, erklärte eine Sprecherin der „Letzten Generation“. „Wir fordern die Bundesregierung dazu auf, endlich ihren Job zu machen und erste Sicherheitsmaßnahmen gegen die eskalierende Klimakrise zu ergreifen.“ Eine Eskalation sieht auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) – allerdings auf Seiten der Klima-Protestgruppe. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) bezeichnete die Aktionen der Gruppe als „immer skrupelloser“.
Soziologin widerspricht Radikalisierungs-Vorwurf
„Eine Radikalisierung sehe ich nicht, gerade im Vergleich auch zu anderen Protesten wie die Anti-Atomkraft-Bewegung oder die Friedensbewegung in den 70ern“, sagte die Soziologin Lena Herbers von der Universität Freiburg der Deutschen Presse-Agentur. Sie bezeichnete die Proteste als „überschaubare Gesetzesübertritte, bewusste punktuelle Rechtsbrüche“.
Zuletzt war die Protestgruppe nach dem Tod einer Radfahrerin in Berlin scharf kritisiert worden. Die 44-jährige Frau war am 31. Oktober von einem Betonmischer überrollt worden und später gestorben. Ein Spezialfahrzeug der Feuerwehr, das helfen sollte, die eingeklemmte Frau zu befreien, steckte in einem Stau nach einem Klima-Protest. Die Staatsanwaltschaft Berlin ermittelt auch gegen zwei Aktivisten wegen unterlassener Hilfeleistung beziehungsweise der Behinderung hilfeleistender Personen.
Ermittlungen gegen sechs Aktivisten
Nach der Störaktion am BER ermittelt das Landeskriminalamt Brandenburg gegen sechs Aktivisten unter anderem wegen gefährlichen Eingriffs in den Luftverkehr, Störung öffentlicher Betriebe sowie Hausfriedensbruchs und Sachbeschädigung. Fünf Männer und eine Frau im Alter von 20 bis 32 Jahren seien am Donnerstag bei der Aktion auf dem Flughafengelände in Schönefeld festgenommen und in Gewahrsam genommen worden, sagte ein Polizeisprecher. Einer der Männer sei auf richterlichen Beschluss weiterhin dort. Die anderen Beschuldigten sind nach seinen Angaben wieder auf freien Fuß.
In Folge der Aktion wurde der Betrieb auf Start- und Landebahnen für etwa eineinhalb Stunden gestoppt. Fünf Starts mussten nach Angaben des Flughafens gestrichen werden. 15 geplante Landungen wurden demnach etwa nach Leipzig und Dresden umgeleitet.
Betrieb am BER läuft wieder normal
Am Morgen lief der Betrieb nach Angaben des Flughafens wieder normal. Die Flughafengesellschaft kündigte an, das Sicherheitskonzept des Hauptstadtflughafens zu überprüfen. Bundesverkehrsminister Wissing rief die Polizei dazu auf, den Vorfall genau aufzuarbeiten. Für die Zukunft müsse die Frage gestellt werden, was genau zu tun wäre, um derartige Vorfälle zu vermeiden. Der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Christian Dürr, forderte eine Sicherheitsüberprüfung aller Flughäfen.
Flughafensprecher Jan-Peter Haak betonte, der knapp 30 Kilometer lange Sicherheitszaun entlang des Flughafengeländes entspreche gesetzlichen Vorgaben nach dem Luftsicherheitsgesetz. Er sei mit einer Alarmanlage ausgestattet und es gebe eine Videoüberwachung für das Flughafengelände, das etwa 2000 Fußballfeldern entspreche.
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