Die Ampel-Koalition hat ihre Verhandlungen im Koalitionsausschuss beendet und sich auf einen gemeinsamen Kurs in der Klima- und Infrastrukturpolitik verständigt. In den fast 30-stündigen Beratungen einigten sich die Spitzen von SPD,
Grünen und FDP auf ein Bündel von Maßnahmen zum schnelleren
Ausbau der Infrastruktur, zur Umrüstung von Heizungen und zu Anpassungen
beim Klimaschutzgesetz.

Die Parteivorsitzenden werteten die Beschlüsse als Beleg für die Handlungsfähigkeit und den Gestaltungswillen der Koalition. „Ja, es hat lange gedauert“, sagte SPD-Chef
Lars Klingbeil bei einem gemeinsamen Presseauftritt. Die Ergebnisse seien aber eine gute
Grundlage für eine auch künftig starke Wirtschaft in
Deutschland. Nach Angaben von Grünen-Chefin Ricarda Lang war der Ton während den Gesprächen „ziemlich ruppig“, doch auch sie zeigte sich zufrieden:
Wenn am Ende gehandelt werden
müsse, dann werde auch gehandelt. Ähnliches ließ FDP-Chef Christian Lindner verlauten. „Ich
hatte nie Bedenken, was die Vertrauenswürdigkeit der Partner
anbelangt“, sagte er.

Die Einigungen im Einzelnen:

  • Die Lkw-Maut soll erhöht werden, um damit Investitionen in die Bahn zu finanzieren. Die zusätzlichen Einnahmen sollten zu 80 Prozent „in den Ausbau der Schiene, in eine moderne Bahn fließen“, sagte Lang. Den Finanzbedarf der Bahn bezifferte sie auf 45 Milliarden Euro bis 2027.
  • Der Ausbau mehrerer Autobahnstrecken soll beschleungigt werden. 140 Autobahnprojekte sollten künftig im überragenden
    öffentlichen Interesse liegen, sagte Lindner.
  • Die bislang strikten Emissionsvorgaben für
    einzelne Wirtschaftssektoren im Klimaschutzgesetz sollen geändert werden. Lindner zufolge sollen
    Zielverfehlungen in einem Sektor in einem anderen ausgeglichen werden
    und auch eher längerfristige Zielvorgaben gesetzt werden. Das aktuelle Klimaschutzgesetz sieht vor, dass jeder Sektor wie etwa Verkehr oder Energie jedes Jahr eine Vorgabe für den maximalen Ausstoß an Klimagasen zu erfüllen hat. Der Verkehrssektor hatte sie zuletzt verfehlt. Künftig soll etwa der Energie-Bereich hier mit einer Übererfüllung dem Verkehr helfen können.
  • Zudem will die Regierung den Einbau klimafreundlicher Heizungen angehen. Das Gebäudeenergiegesetz solle entsprechend reformiert werden,
    sagte Lang. Es solle
    dabei einen sozialen Ausgleich geben. „Man kann sagen: Niemand wird im
    Stich gelassen.“ Auch Klingbeil bekräftigte die Bedeutung
    sozialer Gerechtigkeit in diesem Punkt. Die Vorschläge sollten nun „finalisiert“ werden, sagte Lindner. Das Geld soll seinen Angaben zufolge aus dem Klima- und Transformationsfonds kommen. Auch Heizungen mit fossilen Energieträgern sollen demnach weiter betrieben werden können, wenn sie künftig mit klimafreundlichen Gasen genutzt werden könnten.
  • Der bundesweite Ausbau von E-Ladestationen soll beschleunigt werden. Betreiber von Tankstellen
    sollen gesetzlich verpflichtet werden, „binnen fünf Jahren
    mindestens einen Schnellladepunkt pro Tankstelle zu errichten“,
    heißt es im Papier des Koalitionsausschusses. Für die Betreiber
    kleiner Tankstellen werde es aber eine Sonderregelung geben.

„Wir haben echte Durchbrüche erzielt, wirkliche Paradigmenwechsel und
deshalb spricht das Ergebnis einfach für sich“, sagte Lindner. „Wenn wir drei Tage
zusammen sind, immer solche tiefgreifenden Ergebnisse, die das Land
verändern werden, treffen, dann sollten wir zukünftig jeden Monat drei
Tage in Klausur gehen.“  Die Beschlüsse haben seinen Angaben zufolge keine größeren Auswirkungen auf den Haushalt. Er verwies auf zur Verfügung stehende Gelder im Klima- und Transformationsfonds sowie auf die Erhöhung der Lkw-Maut.

Seit Sonntagabend in Verhandlungen

Vor Ende der Verhandlungen hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ein
„großes Werkstück“ der Ampel-Parteien angekündigt. „Es geht um die
größte Modernisierung unserer Volkswirtschaft, die vor uns liegt.“

Die Regierungskoalition hatte ihre Gespräche am Sonntagabend aufgenommen, am Montag aber am frühen Nachmittag unterbrochen, weil Scholz und mehrere Minister zu deutsch-niederländischen Regierungskonsultationen nach Rotterdam reisten. Scholz berichtete dort von einer ebenso vertraulichen wie freundlichen Atmosphäre unter den Koalitionären.  

Am Dienstag wurden die Verhandlungen erneut aufgenommen. Am Nachmittag traf sich Scholz dann mit dem kenianischen Präsidenten William Ruto in Berlin. Anschließend verhandelte man weiter. Erst am Abend endete dann der Koalitionsausschuss.

Die Opposition attestierte der Koalition zunächst Handlungsunfähigkeit. „Wir haben ganz offensichtlich in Deutschland eine Regierungskrise“, sagte CDU-Chef Merz. Er könne sich „kaum vorstellen, dass es noch eine ausreichend sichere Grundlage für den Fortbestand dieser Koalition gibt“. Heftige Kritik an den zunächst ergebnislosen Gesprächen kam auch von CSU, Linken und AfD.

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