Fast ein halbes Jahr nach der Bundestagswahl ist die Neuauflage der Großen Koalition unter Führung von Kanzlerin Angela Merkel besiegelt. Die Partei- und Fraktionsspitzen von Union und SPD unterzeichneten am Montag in Berlin den Anfang Februar ausgehandelten Vertrag für ihr künftiges Regierungsprogramm. Merkel soll an diesem Mittwoch vom Bundestag zum vierten Mal zur Kanzlerin gewählt werden. Damit geht die längste Regierungsbildung in der Geschichte der Bundesrepublik zu Ende. Die wichtigsten Aussagen zur Vertragsunterzeichnung.
Angela Merkel: „Eigentlich drängt fast alles“
Kanzlerin Merkel (CDU) hat den Koalitionsvertrag als Grundlage für eine stabile und erfolgreiche neue große Koalition gewürdigt. Es liege viel harte Arbeit vor der Regierung, sagte Merkel am Montag. Das harte, aber respektvolle Ringen aller Seiten um die Grundlagen einer gemeinsamen Regierung hätten sich gelohnt. Der Koalitionsvertrag werde dem Auftrag gerecht, den die Wähler den Parteien bei der Bundestagswahl vor fast sechs Monaten erteilt hätten – eine handlungsfähige Regierung zu bilden. Auf die Frage, welche Aufgabe die große Koalition nach den langen Verhandlungen als erste angehen wolle, sagte sie: „Eigentlich drängt fast alles, was wir uns vorgenommen haben.“
Olaf Scholz: Niemand soll sich um Zukunft sorgen
Nach den Worten des designierten Vizekanzlers Olaf Scholz (SPD) will die neue Regierung den technischen Fortschritt annehmen, aber auch die Sorgen der Bürger aufgreifen. Deutschland brauche Wachstum und Arbeitsplätze, dabei spielten technischer Wandel und Digitalisierung eine große Rolle, sagte Scholz. Dennoch sei es wichtig, dass niemand „sich Sorgen machen muss um die eigene Zukunft, um die der Kinder, um Seinesgleichen“. Viele Bürgerinnen und Bürger seien sich nicht sicher, dass sie einer besseren Zukunft entgegengingen. Die große Koalition müsse sich um den sozialen Zusammenhalt bemühen und plane viele Initiativen, die Deutschland gerechter und sozialer machen sollten, sagte der künftige Bundesfinanzminister Scholz. Er verwies unter anderem auf den Ausbau der Kinderbetreuung oder Verbesserungen bei der Pflege.
Horst Seehofer: „Vertrag für die kleinen Leute“
Nach Darstellung von CSU-Chef Horst Seehofer zielt das Regierungsprogramm vor allem auf die Mitte der Gesellschaft. Es sei „ein Koalitionsvertrag für die kleinen Leute“, sagte der designierte Innen- und Heimatminister. Er hob Arbeitsplatzsicherung und bezahlbaren Wohnraum hervor. Jetzt komme es auf eine Umsetzung mit Tempo an.
AfD: Merkel spaltet das Land
Die AfD-Vorsitzenden Jörg Meuthen und Alexander Gauland kritisierten den Koalitionsvertrag abermals scharf. Der Staat solle etwa in der Sozialpolitik alles richten, in Kernbereichen wie innerer und äußerer Sicherheit blieben die Vereinbarungen aber unbestimmt, bemängelte Meuthen. Gauland warf Merkel vor, mit ihrer Flüchtlingspolitik das Land zu spalten.
FDP-Chef Christian Lindner: Nicht gerüstet
FDP-Chef Christian Lindner sah die neue große Koalition nicht für die Zukunftsaufgaben des Landes gerüstet. Merkel habe „mit Geld als Schmiermittel“ eine Koalition zusammengebaut, „die sich aber vor klaren Richtungsentscheidungen zur Erneuerung des Landes drückt“, sagte er. Lindner hatte im November Verhandlungen über eine Regierung aus Union, FDP und Grünen platzen lassen. Erst daraufhin erklärte sich die SPD trotz großer Bedenken zu Gesprächen über eine erneute große Koalition bereit.
Linken-Chefin Katja Kipping: „Treten nach unten“
Die Linken haben der großen Koalition vorgeworfen, die soziale Schieflage im Land zu vergrößern. Die jüngsten Äußerungen etwa des designierten Gesundheitsminister Jens Spahn ( CDU) machten deutlich, dass die Regierung für das „Treten nach unten“ stehe, sagte Parteichefin Katja Kipping am Montag. Bei den Regierungsfraktionen „brechen alle Dämme“. Kipping trat entschieden der Einschätzung entgegen, die Hartz-IV-Sätze seien ausreichend zur Existenzsicherung. Auch mit der zusätzlich gewährten Unterstützung für die Kosten der Unterkunft lägen die Bezüge der Empfänger deutlich unterhalb der Armutsrisikogrenze, betonte die Linken-Chefin. Nichts störe den gesellschaftlichen Zusammenhalt so sehr wie die soziale Ungleichheit, fügte Kipping hinzu. Deshalb müsse es eine Umverteilung von Reichtum geben.
Grünen-Chefin Annalena Baerbock: „große Lücken“
Die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock warf Union und SPD vor, „große Lücken“ in ihrem Koalitionsvertrag gelassen zu haben, besonders in der Klimaschutzpolitik. Baerbock kritisierte zudem, die große Koalition tue nicht genügend gegen Kinderarmut.
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