Vertreter der Volksgruppen der Herero und Nama aus Namibia haben in New York eine Sammelklage gegen Deutschland eingereicht, um Entschädigungszahlungen wegen der Anfang des 20. Jahrhunderts begangenen Kolonialverbrechen zu bekommen. Herero-Chef Vekuii Rukoro und Nama-Chef David Frederick verlangen zudem, Vertreter ihrer Gruppen müssten in Verhandlungen zwischen den Regierungen Deutschlands und Namibias einbezogen werden.

In der Klage heißt es, in der Zeit der deutschen Kolonialherrschaft über das damalige Deutsch-Südwestafrika (das heutige Namibia) sei zwischen 1885 und 1903 ein Viertel des Landes der Herero und Nama mit Einverständnis der Kolonialbehörden von deutschen Siedlern enteignet worden. Geduldet von den Kolonialbehörden hätten die Siedler Frauen und Mädchen vergewaltigt und der Bevölkerung Zwangsarbeit auferlegt. Bei einem 1904 einsetzenden Aufstand habe der deutsche General Lothar von Trotha einen Vernichtungsfeldzug geführt, in dem bis zu 100.000 Herero und Nama getötet worden seien.

Die Klageführer geben an, dass sie im Namen „aller Herero und Nama weltweit“ auftreten. Sie verlangen „Entschädigung für den Völkermord“, der damals unter der deutschen Kolonialverwaltung verübt worden sei.

Rukoro hatte bereits im Oktober bei einem Aufenthalt in Berlin angekündigt, dass die namibischen Volksgruppen von der Bundesregierung Entschädigungszahlungen verlangen würden. Weder die Herero noch die Nama würden eine Entschuldigung akzeptieren, die keine Reparationen vorsehe, sagte der Herero-Chef. Berlin führt seit 2014 mit der Regierung in Windhuk einen Dialog über die Aufarbeitung der Gräueltaten.

Die Bundesregierung hat im vergangenen Jahr eingestanden, dass das, was 1904 bis 1908 in Namibia geschah, als Völkermord eingestuft werden muss. Entschädigungszahlungen lehnt sie indes ab.

Seit Monaten laufen zwischen Deutschland und der namibischen Regierung Gespräche, um gemeinsame Worte für die kolonialen Verbrechen zu finden und zu diskutieren, welche Entwicklungsprojekte Deutschland in Namibia unterstützen wird. Aus Sicht der Bundesregierung liefen die Gespräche gut, sagte Außenamtssprecher Martin Schäfer. Es sei „bewusst unterlassen“ worden, mit Vertretern der betroffenen Volksgruppen direkte Gespräche zu führen. Die Entwicklungszusammenarbeit mit Namibia sei „sehr eng und großzügig“, die Entwicklungshilfeleistungen könnten „sich sehen lassen“, sagte Schäfer. In den bilateralen Gesprächen solle es darum gehen, eine gemeinsame Lösung zu finden. Das schließe dann „möglicherweise auch weitere Geldzahlungen ein“.

Der deutsche Historiker und Afrikawissenschaftler Jürgen Zimmerer hält es für möglich, dass die Sammelklage weitreichende Folgen hat: „Wenn es gelingt, Deutschland zu direkten Verhandlungen mit Vertretern einzelner Bevölkerungsgruppen und zu Reparationen zu zwingen, können viele weitere Fälle aus der Kolonialzeit akut werden“, sagte Zimmerer der Neuen Osnabrücker Zeitung. Ein Erfolg der Klage in New York könnte zu Reparationsforderungen gegen Deutschland auch wegen Massakern während des Maji-Maji-Aufstands im heutigen Tansania führen, ebenso wegen Massakern und Strafaktionen in Togo, in Kamerun und in der Südsee.

Deutsche Delegation hat Fehler gemacht

Im Juli hatte der Historiker in einem Interview mit ZEIT ONLINE kritisiert, Deutschland widme sich dem Thema bislang nur halbherzig. Über die Haltung der deutschen Delegation seien viele Namibier verärgert gewesen. „Die Vertreter reisten hin und sagten: Es gibt keine Reparationszahlungen, wir müssen uns vor der Bundestagswahl versöhnen und auch noch vor dem Amtsende des scheidenden Bundespräsidenten Joachim Gauck, weil der noch die Entschuldigung aussprechen will. Das ist eine Zumutung für viele Namibier“, sagte Zimmerer damals. Wer Schuld ehrlich eingestehen wolle, sei gut beraten, auf die Opfer zu hören, statt sein Ding möglichst effizient durchzuziehen.

Ähnlich äußerte sich der Linken-Politiker Niema Movassat nach Einreichen der Sammelklage. Er bezeichnete es als absurd, dass „die Nachfahren des Genozids bisher von den Verhandlungen zwischen Deutschland und Namibia ausgeschlossen wurden“. Bei der von Deutschland gezahlten Entwicklungshilfe sei außerdem „nicht garantiert, dass sie bei den Opfern ankommt“. Die von den Nachkommen der Herero und Nama geforderten Kompensationen halte er für längst überfällig.

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