Ukrainischen Verteidigern droht in Sewerodonezk Einkesselung Ukrainische Verteidiger im Osten unter Druck Selenskyj: „Die Ukraine kämpft, bis sie ihr gesamtes Territorium zurück hat“ Die Entwicklungen im Ukraine-Krieg im stern-Ticker.
Tag 92 der russischen Invasion in der Ukraine: Die russische Armee versucht nach ukrainischen Angaben um jeden Preis, die strategisch wichtige Stadt Sewerodonezk in der Ostukraine einzunehmen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj räumte in seiner Ansprache in der Nacht zum Donnerstag ein, dass in dem Frontabschnitt „der Feind in Bezug auf die Ausrüstung und die Anzahl der Soldaten deutlich überlegen“ sei. Die eigenen Streitkräfte hielten der „äußerst gewalttätigen Offensive“ jedoch noch stand.
15.12 Uhr: Kreml verlangt Aufhebung von Sanktionen gegen Freigabe von Getreide
Russland hat angesichts der in der Ukraine blockierten Getreideexporte den Westen erneut zu einer Aufhebung von Sanktionen aufgerufen. Dann könnten auch die Exporte aus der Ukraine wieder laufen, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der Agentur Interfax zufolge in Moskau. „Sie sollen jene illegalen Entscheidungen aufheben, die die Frachtschiffe, die Ausfuhr von Getreide und so weiter und so fort behindern“, sagte Peskow. Er nannte keine Details, was er genau meinte.
Allerdings hat der Westen Russland mit einer Vielzahl von Handelssanktionen belegt, die der Wirtschaft zusetzen. Russland und die Ukraine sind große Getreideexporteure mit einer wichtigen Rolle für die Welternährung.
Die Ukraine hatte Russland zuvor Erpressung vorgeworfen und den Westen aufgefordert, die wegen Moskaus Angriffskrieg erlassenen Sanktionen unter keinen Umständen aufzuheben. Kiew wirft Russland vor, die Schwarzmeer-Häfen mit Kriegsschiffen zu blockieren und so die für die Welternährung wichtige Weizenausfuhr zu verhindern. Russland wiederum hatte die Ukraine aufgefordert, ihre Küstenstreifen zu entminen, damit ein Korridor für die Getreideausfuhr eingerichtet werden könne. Das wäre aber auch ein mögliches Einfallstor für die russischen Streitkräfte.weizen ukraine krieg 17.55
15.11 Uhr: Früherer Botschafter – Auch mit neuer Führung in Moskau würde es nicht leichter
Der frühere deutsche Botschafter in Moskau, Rüdiger von Fritsch, erwartet absehbar keine massiven Proteste der russischen Bevölkerung, die einen Machtwechsel nach sich ziehen könnten. Derartige Hoffnungen halte er trotz der Sanktionen gegen das Land für „verfehlt“, sagte von Fritsch der Zeitung „Welt“. In Russland gebe es die alte Frage: „Siegt der Kühlschrank oder der Fernseher? Im Moment siegt eindeutig noch der Fernseher.“ Die Propaganda sei „massiver, als die Versorgungslage schlecht wäre“.
Falls es Widerstand gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin geben sollte, würde dieser noch am ehesten vom Militär ausgehen. „Dort hat man natürlich ein sehr klares Bild der Kriegslage“, sagte von Fritsch. „Einige Militärs könnten zu dem Schluss kommen, dass der Krieg so deutlich zu Russlands Schaden ist, dass es besser wäre, den Präsidenten auszutauschen.“
Dann würde womöglich auch die Invasion der Ukraine ein Ende finden – was allerdings nicht automatisch ein besseres Verhältnis zum Westen zur Folge hätte: „Wir müssen davon ausgehen, dass es auch mit einer neuen russischen Führung nicht unbedingt leichter werden würde.“ Bezüglich der aktuellen Moskauer Regierung sagte von Fritsch: „Es ist sehr schwer vorstellbar, wie man mit einem von Wladimir Putin regierten Russland zurückkehren kann zu einer gemeinsam gestalteten Ordnung.“ Von Fritsch vertrat Deutschland von 2014 bis 2019 in Moskau.
13.51 Uhr: Gefangene ukrainische Kämpfer aus Mariupol weiter in Ostukraine
Die ukrainischen Kämpfer, die kürzlich in Mariupol in russische Kriegsgefangenschaft geraten sind, werden weiter im von prorussischen Separatisten kontrollierten Donbass festgehalten. „Alle werden auf dem Gebiet der Donezker Volksrepublik festgehalten“, sagte Separatistenführer Denis Puschilin der Agentur Interfax. Bis zum vergangenen Wochenende haben sich mehr als 2400 ukrainische Verteidiger der Hafenstadt Mariupol, die im Donezker Gebiet liegt, ergeben, nachdem sie sich zuvor wochenlang im belagerten Stahlwerk Azovstal verschanzt hatten.
Die Ukraine hofft weiter darauf, dass die Männer und Frauen im Zuge eines Gefangenenaustauschs freikommen können – auch, weil die Separatisten in der selbst ernannten Volksrepublik Donzek bereits vor Jahren die Todesstrafe eingeführt haben. Moskau hat bezüglich eines möglichen Austauschs bislang aber noch keine Entscheidung verkündet.
In Russland soll unterdessen das ukrainische Asow-Regiment, dessen Mitglieder zu den in Mariupol gefangen genommenen Kämpfern zählen, als „terroristische Organisation“ eingestuft werden. Ein entsprechender Gerichtsprozess sollte ursprünglich am Donnerstag beginnen – wurde aber auf Ende Juni verschoben. Für die Mitgliedschaft in einer als terroristisch verbotenen Organisation drohen in Russland bis zu 20 Jahre Haft. Inwiefern die Einstufung die Mariupoler Kämpfer betreffen könnte, war zunächst unklar.
Das von Rechtsextremen gegründete und dominierte Regiment Asow zieht Moskau immer wieder als Rechtfertigung für seinen Ende Februar begonnenen Angriffskrieg gegen die Ukraine heran. Das Regiment ist Teil der ukrainischen Nationalgarde – nicht der Armee. Darüber hinaus stufen internationale Experten die Behauptung, die gesamten ukrainischen Streitkräfte seien von „Neonazis“ unterwandert, als unhaltbar ein.
11.20 Uhr: Scholz: Putin hat alle strategischen Ziele in Ukraine verfehlt
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat sich erneut überzeugt davon gezeigt, dass der russische Präsident Wladimir Putin den Krieg in der Ukraine nicht gewinnen wird. „Schon jetzt hat er alle seine strategischen Ziele verfehlt“, sagte Scholz am Donnerstag in seiner Rede zum Abschluss der Jahrestagung des Weltwirtschaftsforums in Davos in der Schweiz. „Eine Einnahme der gesamten Ukraine durch Russland scheint heute weiter entfernt als noch zu Beginn des Krieges. Mehr denn je betont die Ukraine ihre europäische Zukunft.“
Zudem habe die „Brutalität des russischen Kriegs“ die ukrainische Nation enger zusammengeschweißt als je zuvor und zwei Staaten zur Annäherung an die Nato bewogen: „Mit Schweden und Finnland wollen sich zwei enge Freunde und Partner dem nordatlantischen Bündnis anschließen. Sie sind herzlich willkommen!“, sagte der Kanzler. Putin habe auch die Geschlossenheit und Stärke unterschätzt, mit der die Gruppe der sieben großen Industrienationen (G7), die Nato und die EU auf seine Aggression reagiert hätten.
7 Uhr: Ukrainische Verteidiger im Osten unter Druck
Sjewjerodonezk und das benachbarte Lyssytschansk sind die letzten großen Städte, die im Gebiet Luhansk noch von ukrainischen Truppen gehalten werden. Russland will das Gebiet vollständig erobern, um es der so genannten Volksrepublik Luhansk zuzuschlagen. Diese hatte Moskau wenige Tage vor dem Angriff auf die Ukraine als unabhängigen Staat anerkannt – genauso wie die Volksrepublik Donezk.
Der ukrainische Generalstab berichtete auch von Angriffen auf die Orte Berestowe, Lypowe und Nyrkowe. Diese liegen im Rückraum der ukrainischen Verteidiger an der strategisch wichtigen Straße nach Bachmut. Zwar hieß es, die Attacken seien abgewehrt worden. Doch überprüfbar waren die Angaben nicht. Ausländische Beobachter befürchten, dass mehrere ukrainische Brigaden in Sjewjerodonezk eingekesselt werden könnten.
FS
6.26 Uhr: Selenskyj: Russische Truppen den Verteidigern in Ostukraine „deutlich überlegen“
Die russische Armee versucht nach ukrainischen Angaben um jeden Preis, die strategisch wichtige Stadt Sewerodonezk in der Ostukraine einzunehmen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj räumte in seiner Ansprache in der Nacht zum Donnerstag ein, dass in dem Frontabschnitt „der Feind in Bezug auf die Ausrüstung und die Anzahl der Soldaten deutlich überlegen“ sei. Die eigenen Streitkräfte hielten der „äußerst gewalttätigen Offensive“ jedoch noch stand.
Russische Truppen sind bereits in Vororte der Industriestadt vorgedrungen. Moskau hatte die Offensive rund um Sewerodonezk in den vergangenen Tagen massiv ausgeweitet.
Gouverneur Serhij Gajdaj wies jedoch Angaben pro-russischer Kämpfer zurück, wonach Sewerodonezk „eingekesselt“ sei. Etwa 15.000 Menschen befänden sich noch in der Stadt und in den umliegenden Dörfern. Gajdaj betonte, dass die überwältigende Mehrheit von ihnen trotz der anhaltenden Angriffe die Stadt nicht verlassen wolle. Dabei handelt es sich vor allem um Ältere, die in Kellern Schutz vor dem Dauerbeschuss suchen.
3.52 Uhr: Deutsche Bahn will mehr Getreide aus der Ukraine transportieren
Die Deutsche Bahn will die Ukraine stärker beim Getreideexport unterstützen. „Angesichts der drohenden Hungersnot in Teilen der Welt und des enormen Bedarfs, Millionen von Tonnen ukrainisches Getreide in die Welt zu exportieren, werden wir als DB Cargo in Abstimmung mit dem Bund weitere Aufträge und Zugfahrten organisieren“, sagte DB-Cargo-Chefin Sigrid Nikutta den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland.
„Wir tun alles, was wir als Unternehmen aus sozialer Verantwortung heraus tun können.“ Zurzeit fahre DB Cargo mit Tochtergesellschaften in Polen und Rumänien mehrere Züge täglich mit Getreide an verschiedene Seehäfen. „Nun geht es darum, diese Agrarexporte auszuweiten. Ziel sind tragfähige Verbindungen bis an die Seehäfen der Nordsee und des Schwarz- und Mittelmeeres.“
0 Uhr: Selenskyj: „Die Ukraine kämpft, bis sie ihr gesamtes Territorium zurück hat“
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die Weltgemeinschaft aufgerufen, sich eindeutiger auf die Seite seines von Russland angegriffenen Landes zu stellen. In seiner Videoansprache vom Mittwochabend zeigte er sich enttäuscht auch von den Beratungen beim Weltwirtschaftsforum in Davos. „Egal, was der russische Staat tut, es gibt jemanden, der sagt: Lasst uns seine Interessen berücksichtigen“, sagte Selenskyj.
Auch in Davos sei es so gewesen. „Und das trotz Tausender russischer Raketen, die die Ukraine treffen. Trotz Zehntausender getöteter Ukrainer. Trotz Butscha und Mariupol“. Russland tue dies mitten in Europa. Selenskyj kritisierte in diesem Zusammenhang den früheren US-Außenminister Henry Kissinger. Auch dieser hatte gesagt, dass ein Frieden für die Ukraine wohl nur mit Gebietsabtretungen an Russland zu erreichen sei.
Selenskyj wurde am Mittwoch per Video zu einer Gesprächsrunde in Davos zugeschaltet und sagte, die Ukraine werde kein Gebiet abgeben. „Die Ukraine kämpft, bis sie ihr gesamtes Territorium zurück hat.“ Er sei bereit zu Gesprächen mit Moskau, wenn Russland sich auf die Frontlinien von vor dem 24. Februar zurückziehe.
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