Die warnenden Stimmen werden immer lauter. Die Weltgemeinschaft ist gegen Israels geplanten Militäreinsatz in der Grenzstadt Rafah, die voller Flüchtlinge ist. Netanjahu sieht aber keine Alternative. Der Überblick:

Ungeachtet dringender Warnungen westlicher Partner will der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu die militärische Offensive auf die Grenzstadt Rafah im südlichen Gazastreifen ausweiten. Man werde sich in der Frage dem internationalen Druck nicht beugen, betonte er am Wochenende.

„Wer uns an dem Einsatz in Rafah hindern will, sagt uns letztlich „Verliert den Krieg“.“ Das werde er nicht zulassen. Vor dem Beginn einer Offensive werde den Zivilisten in den Kampfgebieten aber ermöglicht, sich in sichere Gegenden zu begeben, sagte er in Jerusalem.

Israels Verteidigungsminister Joav Galant ist davon überzeugt, dass der Kampfgeist der islamistischen Hamas-Milizen im Gazastreifen nach mehr als vier Monaten Krieg gebrochen ist. „200 Terroristen ergaben sich (in Chan Junis) im Nasser-Spital, Dutzende weitere im Amal-Spital“, sagte Galant bei einer Besprechung mit Armeekommandeuren. „Das zeigt, dass die Hamas ihren Kampfgeist verloren hat“, fügte er hinzu.

Ägypten wirft Israel illegale Praktiken vor

Die Beziehungen zwischen Israel und Ägypten sind angesichts des Gaza-Kriegs äußerst angespannt: Ägypten will Israel nun vor dem höchsten Gericht der Vereinten Nationen illegale Praktiken in den Palästinensergebieten vorwerfen. Das Land habe ein entsprechendes Memorandum beim Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag eingereicht, teilte der Leiter des ägyptischen Staatsinformationsdiensts (SIS), Diaa Raschwan, mit.

Israels Besatzung der palästinensischen Gebiete, der Siedlungsbau, die Vertreibung von Palästinensern und andere Praktiken der israelischen Politik verstoßen demnach gegen die Grundsätze des humanitären Völkerrechts. Raschwan kündigte an, Kairo werde am Mittwoch mündliche Beweise vor Gericht vorbringen. Am höchsten UN-Gericht beginnt am Montag bereits in einem anderen Verfahren eine Anhörung zu Israels Vorgehen in den besetzten palästinensischen Gebieten.

Brasiliens Präsident Luiz Inacio Lula da Silva vergleicht Israels Militäreinsatz im Gazastreifen indes mit dem von Adolf Hitler befohlenen Massenmord an den europäischen Juden. Israels Vorgehen komme einem Genozid an palästinensischen Zivilisten im Gazastreifen gleich, sagte der 78-Jährige während eines Gipfeltreffens der Afrikanischen Union am Wochenende in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba.

„Was im Gazastreifen mit dem palästinensischen Volk geschieht, hat es zu keinem anderen Zeitpunkt in der Geschichte gegeben. Beziehungsweise hat es das schon gegeben: Als Hitler beschloss, die Juden zu töten“, sagte Lula während einer Pressekonferenz.

Israel bereitet eine Militäroffensive auf die an Ägypten grenzende Stadt vor, um auch dort gegen die islamistische Hamas vorzugehen. In dem Ort im Süden des Gazastreifens haben Hunderttausende Binnenflüchtlinge Schutz gesucht, deshalb stoßen die Pläne international auf große Kritik.

Schtaje: Ägypten wird keine Grenzüberquerung aus Gaza erlauben

Der palästinensische Ministerpräsident Mohammed Schtaje forderte die israelische Regierung auf, die im Süden des Küstenstreifens zusammengedrängte Bevölkerung zurück in ihre Wohngebiete zu lassen. Er warnte Netanjahu auf der Münchner Sicherheitskonferenz zugleich davor, eine Vertreibung der Menschen nach Ägypten zu versuchen. „Ägypten wird niemandem eine Überquerung der Grenze erlauben.“

Auslöser des israelischen Einsatzes im Gazastreifen ist das Massaker mit mehr als 1200 Todesopfern, das Terroristen der Hamas und anderer extremistischer Gruppen am 7. Oktober in Israel verübt hatten. Israel reagierte mit einer Offensive in dem Küstengebiet, bei der nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde bisher knapp 29.000 Menschen getötet wurden.

Netanjahu: Werden mit Hamas-Führung abrechnen

Netanjahu bekräftigte, man werde mit der Hamas-Führung „die Rechnung begleichen“. Dies sei nur eine Frage der Zeit.

Ein israelischer Experte geht davon aus, dass der Militäreinsatz in Chan Junis im Süden des Gazastreifens in Kürze abgeschlossen wird. „Ich denke, es ist eine Sache von Tagen“, sagte Kobi Michael vom Institut für Nationale Sicherheitsstudien (INSS) am Sonntag dem Sender i24news. Chan Junis werde dann von der Armee kontrolliert. Bei der Stadt handele es sich seiner Ansicht nach um den wichtigsten Stützpunkt der islamistischen Hamas im Gazastreifen.

Blinken: Außergewöhnliche Friedenschance für Israel

US-Außenminister Antony Blinken sieht eine Zweistaatenlösung als Ausweg aus dem Teufelskreis der Gewalt zwischen Israel und den Palästinensern. „Ich denke, dass sich Israel in den kommenden Monaten eine außergewöhnliche Chance bietet, diesen Zyklus tatsächlich ein für alle Mal zu beenden“, sagte Blinken auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Nahezu jedes arabische Land wolle Israel jetzt wirklich in die Region integrieren, um die Beziehungen zu normalisieren.

Israels Regierung stimmte allerdings in einer demonstrativen Entscheidung einstimmig gegen eine von internationalen Parteien aufgezwungene Friedensregelung mit den Palästinensern. Eine solche Regelung sei nur als Ergebnis direkter Verhandlungen ohne Vorbedingungen denkbar, hieß es darin weiter.

„Israel lehnt die einseitige Anerkennung eines palästinensischen Staates weiter ab“, lautete die Regierungsentscheidung zudem. Israel reagierte damit auf Medienberichte, denen zufolge westliche Bündnispartner auch ohne israelische Zustimmung einen palästinensischen Staat anerkennen könnten.

Berichte über zahlreiche Tote bei Luftangriffen Israels

Die israelische Armee teilte mit, die Truppen seien weiter in Chan Junis, aber auch im zentralen und nördlichen Teil des Gazastreifens im Einsatz. Binnen 24 Stunden seien „Dutzende von Terroristen ausgeschaltet und große Mengen an Waffen beschlagnahmt“ worden.

Palästinensische Sanitäter hatten von rund 40 Toten und zahlreichen Verletzten bei israelischen Luftangriffen in Deir al-Balah und Nuseirat im zentralen Abschnitt des Küstenstreifens berichtet. Unter den Verletzten seien auch Kinder.

Dramatische Lage im Nasser-Krankenhaus in Chan Junis

Israelische Spezialeinheiten seien auch weiter im Nasser-Krankenhaus in Chan Junis aktiv, teilte die Armee am Sonntag mit. Die Armee hat dort bisher rund 100 Menschen festgenommen, die sie als Terrorverdächtige einstuft. Nach Darstellung der Hamas-Gesundheitsbehörde gehören viele der Festgenommenen zum medizinischen Personal. Die Armee wies am Sonntag Berichte zurück, denen zufolge auch der Klinikleiter festgenommen worden sei.

Der Chef der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Tedros Adhanom Ghebreyesus, schrieb am Sonntag bei X, vormals Twitter, das Nasser-Krankenhaus sei wegen des israelischen Militäreinsatzes nicht mehr funktionsfähig. Einem WHO-Team, das den Zustand der Patienten prüfen und Treibstoff bringen wollte, sei der Zugang verweigert worden. „Es befinden sich noch rund 200 Patienten in der Klinik“, schrieb der WHO-Chef. Etwa 20 von ihnen müssten dringend in andere Krankenhäuser gebracht werden.

Tausende Israelis demonstrieren gegen Regierungspolitik

Tausende Israelis protestierten zuletzt in verschiedenen Städten gegen die Politik der rechtsreligiösen Regierung Netanjahus. Bei einer laut Polizei nicht genehmigten Großkundgebung in der Küstenmetropole Tel Aviv blockierten Demonstranten eine Straße in beide Richtungen und entzündeten Fackeln. Viele der Demonstranten forderten Neuwahlen. Andere sprachen sich für eine Waffenruhe im Gaza-Krieg und für einen raschen Deal mit der Hamas zur Freilassung weiterer Geiseln aus.

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