Aleppo wird fallen, das Wann scheint nur noch eine Frage von Stunden. In der Stadt sieht es bereits nach Ende aus. Die Straßen in den ehemals von Rebellen gehaltenen Vierteln sind verlassen und übersät mit riesigen Kratern, in denen sich Regenwasser gesammelt hat. Ausgebrannte Autos liegen vereinzelt am Straßenrand. Viele Häuser sind zerbombt. Diese Bilder sind in einem Video zu sehen, das Aktivisten bei einer kurzen Fahrt durch die letzten von Rebellen besetzten Gebiete im Osten Aleppos gemacht haben. Binnen 24 Stunden sind laut Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in Großbritannien mehr als 10.000 Zivilisten aus den seit 2012 von den Rebellen gehaltenen Vierteln in Ost-Aleppo geflüchtet.
In den von Assads Regierungstruppen gehaltenen Gebieten der Stadt dagegen fahren Sympathisanten im Autokorso durch die Straßen und feiern den vermeintlichen Sieg. In West-Aleppo waren einem AFP-Reporter zufolge bereits am Montagabend Freudenschüsse zu hören. Das staatliche syrische Fernsehen zeigte feiernde Menschen, die Bilder von Staatschef Baschar al-Assad und syrische Flaggen hochhielten.
Für viele Menschen in der umkämpften Metropole ist die Lage höchst bedrohlich. Die medizinische Versorgungssituation in der Stadt sei katastrophal, berichtet das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (IKRK) in Syrien. Medikamente gebe es kaum noch, viele Menschen hielten sich wegen der andauernden Kämpfe seit Tagen versteckt und hätten keine Nahrung und kein Wasser.
„Dies ist unser letztes SOS“, schrieb ein Bewohner aus Ost-Aleppo am Montag in einem flehenden Ruf im Internet. Ein anderer schilderte in einer Sprachnachricht, dass Aleppo komplett zerstört und abgebrannt werde, und forderte: „Rettet die Leben der Kinder, Frauen und Alten!“ Ein weiterer Bewohner sagte: „Ich hoffe, dass wir das hier überleben.“ Menschen seien den Berichten zufolge unter Trümmern gefangen, ohne dass ihnen geholfen werden könne, weil der Beschuss nicht abreiße.
Menschen hielten sich tagelang ohne Tageslicht und Strom versteckt
Uno-Generalsekretär Ban Ki Moon zeigt sich alarmiert – insbesondere aufgrund der jüngsten Berichte über Gräueltaten gegen Zivilisten. Es gebe auch Berichte von Gräueltaten gegen Frauen und Kinder, sagte der Südkoreaner. Die Vereinten Nationen könnten diese Berichte nicht unabhängig nachprüfen, aber sie machten ihn sehr besorgt, so Ban. Er habe den UN-Sonderbeauftragten für den Konflikt in Syrien, Staffan de Mistura, gebeten, dringend mit allen Beteiligten darüber zu sprechen. Vor allem die syrische Armee mit ihren Verbündeten Russland und Iran müssten Zivilisten schützen.
Die syrische Armee hatte zusammen mit ihren Verbündeten am Montag zahlreiche von Rebellen kontrollierte Viertel im Osten Aleppos zurückerobert. Nach Angaben von Beobachtern stehen die Anti-Assad-Truppen kurz vor einer Niederlage in der Stadt. Vor rund einem Monat hatte die Armee die Offensive auf die Rebellenviertel begonnen. Laut der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte kontrollierten die Rebellen nur noch etwa drei Prozent ihres bisherigen Einflussgebietes.
Bei den Kämpfen sind nach Angaben der Beobachter mindestens 60 Menschen getötet worden. Darunter seien auch zahlreiche Zivilisten, berichtete die Beobachtungsstelle. Zuletzt waren nach Angaben der Vereinten Nationen rund 40.000 Menschen aus dem Ostteil Aleppos geflohen.
Papst appelliert an Assad
Das Rote Kreuz in Syrien veröffentlichte Bilder aus provisorischen Notunterkünften in Aleppo. Darauf sind Hunderte Menschen zu sehen, die sich mit Planen und Decken notdürftige Schlafstätten gebaut haben. Viele Menschen stünden unter Schock, hieß es. Sie hätten sich teilweise tagelang versteckt gehalten, ohne Tageslicht oder Elektrizität.
Angesichts der dramatischen Lage in der Stadt hat Papst Franziskus Syriens Machthaber Baschar al-Assad in einem Brief aufgefordert, Zivilisten vor Gewalt zu schützen und einen sicheren Weg für Hilfsgüter zu garantieren. In dem Schreiben rief das katholische Kirchenoberhaupt den syrischen Präsidenten und die internationale Gemeinschaft auf, sich für ein Ende der Kampfhandlungen einzusetzen.
Aleppo gilt als die am heftigsten umkämpfte Stadt im syrischen Bürgerkrieg. Sie war lange Zeit zwischen dem Regime im Westen und verschiedenen Rebellengruppen im Osten geteilt. Vor rund fünf Monaten begann die syrische Armee mit der Belagerung der Rebellengebiete. Seitdem waren diese so gut wie von der Außenwelt abgeschnitten. Die Rückeroberung der gesamten Stadt könnte einen Wendepunkt in dem Bürgerkrieg darstellen.
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