Widerspruch auch aus der CDU

Berlin/Düsseldorf (dpa) – Mit seiner Forderung nach mehr «Recht und Ordnung» in Deutschland hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) für Ärger gesorgt. Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul, ein Parteikollege Spahns, reagierte verschnupft.

«Die Innere Sicherheit verbessert man nicht mit Interviews und flotten Sprüchen, sondern indem man die Dinge anpackt und ändert», unterstrich Reul in Düsseldorf.

Spahn hatte in der «Neuen Zürcher Zeitung» beklagt, der Staat habe in den vergangenen Jahren nicht mehr ausreichend für «Recht und Ordnung» sorgen können. «Schauen Sie sich doch Arbeiterviertel in Essen, Duisburg oder Berlin an. Da entsteht der Eindruck, dass der Staat gar nicht mehr willens oder in der Lage sei, Recht durchzusetzen», sagte der CDU-Politiker.

Die NRW-Landesregierung arbeite «mit Hochdruck» daran, verlorenes Vertrauen der Bürger in Recht und Ordnung zurückzugewinnen, sagte Reul. «Dafür brauchen wir keine guten Ratschläge von der Bundesregierung.» Die sei vielmehr eingeladen, zu helfen. «Zum Beispiel, indem sie die Bundespolizisten, die eigentlich in NRW stationiert sind und zeitweilig in Bayern Dienst tun, zurück an unsere Bahnhöfe beordert. Da können wir die Beamten nämlich auch gut gebrauchen.»

Verärgert über Spahn zeigte sich auch Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link (SPD). Er warf Spahn «Pauschalurteile» vor, die von «Ahnungslosigkeit» zeugten.

Die Polizeigewerkschaft GdP reagierte mit Unverständnis. «Es ist nicht nachvollziehbar, wenn Bundespolitiker eine Schieflage von Recht und Ordnung anprangern, wo sie es eigentlich mit in der Hand haben, diese Missstände seit Jahren zu verändern», sagte der Bundesvorsitzende Oliver Malchow. An bestimmten kriminellen Brennpunkten sei eine massive Polizeipräsenz nötig, es fehle aber an Personal.

Rainer Wendt, der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, begrüßte den Vorstoß, merkte aber an: «Da beschreibt Jens Spahn die Folgen einer jahrzehntelangen Sparpolitik, an der die Union nicht unbeteiligt war.»

FDP-Chef Christian Lindner schrieb auf Twitter: «Spahn sorgt sich um «Recht und Ordnung». Ich sorge mich um seine Erinnerung» – die Union stelle seit 2005 den Bundesinnenminister.

Grüne und Linke warfen Spahn vor, seine eigentlichen Aufgaben zu vernachlässigen. Vom Gesundheitsminister erwarte er, «dass er die Missstände in seinem Verantwortungsbereich anpackt und nicht täglich eine neue Sau durchs Dorf treibt oder sich als Grenzposten profiliert», schrieb der Parlamentarische Geschäftsführer der Linken im Bundestag, Jan Korte, auf Twitter. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt merkte ironisch an, man solle Spahn doch die wichtigen Aufgaben des Ministers für Gesundheit und Pflege geben. «Macht gerade keiner.»

Grünen-Chefin Annalena Baerbock sagte, Spahns Äußerungen zeigten, «wie unernst der angeblich neue pro-europäische Kurs der Bundesregierung gemeint war». Der CDU-Politiker hatte auch Ungarns rechtsnationalen Ministerpräsidenten Viktor Orban für den Schutz der europäischen Außengrenze gelobt. Orban bange um seine Macht, sagte Baerbock, «und sofort ist Rechtsausleger Jens Spahn zur Stelle und leistet Wahlkampfhilfe. Dabei tritt Orban in Ungarn europäische Grundrechte mit Füßen.»

Unterstützung bekam Spahn dagegen aus den Reihen von CDU und CSU. In Bundesländern, in denen die SPD regiere oder lange regiert habe, gebe es «erheblichen Nachholbedarf» bei der Polizei, sagte CDU-Innenpolitiker Stephan Harbarth der Deutschen Presse-Agentur. «So ist etwa in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz die Polizeidichte ganz besonders gering.» Dagegen gebe es «in vielen unionsgeführten Ländern und gerade in Bayern» eine niedrige Kriminalitätsbelastung und hohe Aufklärungsquoten.

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte der «Bild»-Zeitung: «In manchen Bundesländern kann man den Eindruck bekommen, dass linke Chaoten eher geschützt als bestraft werden.» Wenn die Polizei in manchen Bundesländern nur mangelnden politischen Rückhalt genieße, «gibt der Staat einen Hebel zur Rechtsdurchsetzung aus der Hand.»

Read more on Source