Die Anschlagsserie in der Türkei scheint seit anderthalb Jahren kein Ende zu nehmen. In der Nacht zum vergangenen Samstag wurden bei zwei Explosionen in der Nähe eines Fußballstadions in Istanbul wieder 44 Menschen getötet, die meisten Opfer waren Polizisten. In der Darstellung der Regierung sind die Verantwortlichen für die zahlreichen Anschläge meist schnell ausgemacht: entweder die militante Kurdische Arbeiterpartei (PKK) oder die Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS).

Der jüngste Doppelanschlag in Istanbul mit einer Autobombe und einem Selbstmordattentäter schien aus Sicht von Regierungsvertretern klar in Richtung PKK zu deuten. Schließlich hatte die schon mehrfach gezielt Polizisten und andere Sicherheitskräfte angegriffen, und auch diesmal deutete vieles darauf hin, dass die bei einem Fußballspiel eingesetzten Polizisten das Ziel waren.

Zu den Anschlägen bekannte sich aber nicht die in der Türkei als Terrororganisation verbotene PKK, sondern eine radikale Abspaltung von ihr, die Freiheitsfalken Kurdistans, kurz TAK, von der bis heute wenig bekannt ist. Erstmals aktiv wurde die militante Organisation 2005. Seitdem verübte sie mehrfach Attentate in Touristenorten wie Antalya, Marmaris, Izmir und Istanbul. Allein in diesem Jahr bekannte sich die TAK zu drei weiteren Bombenanschlägen im Westen der Türkei, im Februar und März in Ankara und im Juni am Flughafen Sabiha Gökçen in Istanbul. Im November bekannte sich die Gruppe ebenso wie der IS zu einem Selbstmordattentat auf das Polizeihauptquartier in Diyarbakır.

Die jüngsten Attentate mit eingerechnet, wurden bei den Terrorakten der TAK in diesem Jahr allein etwa 130 Menschen getötet. Ziele der Gruppe sind nach eigenen Angaben vor allem Polizisten als Exponenten des verhassten türkischen Staates. Den Tod von Zivilisten nehmen die TAK-Terroristen offen in Kauf.

Die TAK begründete ihre Abspaltung von der PKK damit, dass deren militärischer Arm HPG zu schwach sei, den Staat zu bekämpfen. Auslöser waren vermutlich die inzwischen von der Regierung aufgekündigten Friedensverhandlungen zwischen der PKK und dem Staat. Darüber hinaus gibt es kaum Informationen über die Terrorgruppe, selbst dem türkischen Geheimdienst ist es bislang offenbar nicht gelungen, sie aufzuklären. Die Gruppe arbeitet im Gegensatz zur PKK hoch konspirativ und organisiert sich offenbar in kleinen Zellen.

Präsident Recep Tayyip Erdoğan kündigte am Tag nach den jüngsten Anschlägen an, „die Plage des Terrorismus bis zum Schluss zu bekämpfen“. Die Angreifer könnten sich darauf gefasst machen, einen „schweren Preis“ zu bezahlen. Dabei scheint offensichtlich, dass Erdoğan nicht die TAK als eigenständige Organisation adressiert. Einen Tag danach gab das Innenministerium bekannt, 235 Menschen seien mit Verdacht auf Verbindungen zur PKK festgenommen worden, darunter zahlreiche Vertreter der prokurdischen Oppositionspartei HDP.

Die HDP feierte im Juni 2015 den Einzug ins Parlament, was Erdoğans Regierungspartei AKP die absolute Mehrheit kostete. Sie ist einer der stärksten Gegner des von Erdoğan geplanten Präsidialsystems. Als Auslöser der Gewaltspirale in der Türkei gelten blutige Anschläge auf HDP-nahe Aktivisten in Suruç und HDP-Kundgebungen in Ankara und Diyarbakır, die dem IS zugeschrieben werden. Das Militär und die Geheimpolizei intensivierten danach ihre Präsenz und gewaltsamen Aktionen im Osten des Landes, die PKK und junge kurdische Straßenkämpfer wurden in den Bergen und kurdischen Innenstädten wieder aktiv, es gab immer wieder Kämpfe, Ausgangssperren und Festnahmen  – der Friedensprozess war gescheitert.

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