Das Königreich ist nicht mehr Kunde, jedenfalls nicht bei der Berliner Firma WMP Eurocom. Die Berliner PR- und Lobbyagentur mühte sich bis vor kurzem eifrig, das Image des umstrittenen Regimes von Saudi-Arabien in Deutschland aufzupolieren. Selbst nach der Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul hielten die Berliner Netzwerker zunächst an ihrem lukrativen Mandat fest; der stern machte das Ende Oktober publik.

Erst Ende November zog die Agentur die Reißleine. Zuvor hatte die „Bild am Sonntag“ aus einer internen Präsentation der Agentur zitiert. In der hatten die WMP-Leute sich gerühmt, wie sie die „Medienwahrnehmung“ des Königreichs verbessern und beim „Zugang zu hochrangigen deutschen Politikern“ helfen könnten.

Politiker gehen auf Distanz zur Agentur WMP

Nun soll also Schluss sein mit den Saudis. Der Flurschaden, den das heikle Engagement hinterlassen hat, ist damit für die WMP freilich noch nicht behoben. Politiker und Wirtschaftsgrößen, mit deren Namen die Agentur gegenüber den Saudis warb, gehen auf Distanz. In dem Papier für die Saudis schrieb sich die Agentur  „exzellente Verbindungen zu Entscheidungsträgern“ zu und führte eine Reihe „potenzieller Kontakte“ und die Namen möglicher „Beeinflusser“ („influencer“) sowie „Entscheider“ auf. Es wirkte so, als könne man die Genannten womöglich für die Sache der Saudis mobilisieren.

Der stern, dem die WMP-Präsentation vorliegt, hat über ein Dutzend bekannte Personen aus Politik, Wirtschaft und Sport angefragt, deren Erwähnung in dem Papier bisher nicht bekannt war. Mehrere von ihnen bestreiten jetzt, dass sie engere Kontakte mit WMP unterhalten.

Ein Sprecher Schäubles reagiert mit scharfen Worten

Da ist zum Beispiel Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU). WMP stellte sie mit Bild als „potenziellen Kontakt“ vor. Auf stern-Anfrage verneinte Grütters jegliche Kontakte in Sachen Saudi-Arabien und will nun nach Angaben eines Sprechers die Agentur „nachdrücklich“ um eine Stellungnahme bitten: „Sollte sich herausstellen, dass sie dort tatsächlich für ein solches Vorhaben ohne ihr Wissen vereinnahmt worden sein sollte, erwartet Frau Grütters eine umgehende Löschung aus diesen Papieren“, teilt ihr Sprecher mit.

In der offenbar vor der Bundestagswahl 2017 erstellten Präsentation gab WMP auch das Finanzministerium und den damaligen Finanzminister als „potenziellen Kontakt“ an – ohne Wolfgang Schäuble beim Namen zu nennen. Der Sprecher des heutigen Bundestagspräsidenten weist „Unterstellungen“ über angebliche Kontakte mit WMP nun in scharfen Worten als „gegenstandslos“ zurück. Und auch das heute von SPD-Mann Olaf Scholz geführte Finanzministerium kann sich nach den Worten eines Sprechers die Angaben „nicht erklären“.

Unionspolitiker können sich nicht erklären, wie sie auf die Liste gekommen sind

Nicht ganz so tragfähig scheinen auch die Beziehungen von WMP zum Auswärtigen Amt. Dessen Staatssekretär Walter Lindner ist auf der Liste der „ausgewählten Beeinflusser“ und „Entscheidungsträger“ aufgeführt. „Staatssekretär Lindner stand oder steht in keinem Kontakt zur Firma WMP“, teilt eine Ministeriums-Sprecherin mit.

Ähnlich reagierte die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung, deren damaliger Vorsitzender Hans-Gert Pöttering von WMP genannt worden war: „Herr Pöttering hatte und hat keine Kontakte zu der genannten PR-Agentur“, sagte eine Sprecherin. Oder der CDU-Abgeordnete Michael Hennrich, zudem Vorsitzender der Parlamentariervereingung für die Arabischsprachigen Staaten des Nahen Ostens. Er habe „keine Ahnung“, warum die Agentur ihn auf einer Liste von Entscheidern erwähnt habe. „Ich habe mit WMP Eurocom meines Wissens noch nie Kontakt gehabt“, sagte Hennrich. Auch mit Agentur-Chef Michael Inacker habe der Abgeordnete, wie er sagt, „noch nie im Leben“ zu tun gehabt.

 „Keine Erklärung“, wie er auf die WMP-Liste geriet, hat nach eigenen Angaben auch der CDU-Außenpolitiker und Fraktionsvize Jürgen Hardt. Agenturchef Inacker habe sich ihm zwar im Januar 2017 vorgestellt, erinnert sich Hardt. Danach habe er aber nur einmal mit WMP zu tun gehabt, als die Firma für ein Treffen „mit einem führenden Politiker aus Griechenland im März 2017“ für diesen Gast „Ansprechpartner bei der Terminkoordination“ gewesen sei.

Maschinenbauer Trumpf streitet geschäftliche Beziehungen ab

Auch Unternehmenslenker stehen auf der ominösen Liste. Als „potenzieller Kontakt“ aus der Wirtschaft wird zum Beispiel die Chefin des Maschinenbauers Trumpf, Nicola Leibinger-Kammüller, abgebildet. Ein Sprecher von Trumpf bestätigt zumindest, dass man sich kennt: „Es besteht eine allgemeine, aus gesellschaftlichen Ämtern herrührende Bekanntschaft zu Herrn Inacker.“ Jedoch sei es zu „keinerlei geschäftlichen Gesprächen zwischen WMP“ und Leibinger-Kammüller gekommen, sagt der Sprecher. Saudi-Arabien spiele für Trumpf geschäftlich ohnehin nur „marginal“ eine Rolle.

Agentur-Chef Inacker versichert heute, man habe den Saudis damals sehr wohl „mitgeteilt“, dass man bei WMP „einige dieser genannten Persönlichkeiten“ gar nicht persönlich kenne. Aus der Präsentation ist das nicht zu entnehmen.

WMP hatte Rheinmetall und Renova als Kunden

Wahr ist aber auch, dass einige alte Bekannte der Agentur auf der Liste stehen. Der Vorstandschef des Rüstungskonzerns Rheinmetall Armin Papperger etwa. Rheinmetall war zumindest in der Vergangenheit Kunde bei WMP. So begleitete WMP-Aufsichtsratschef Hans-Hermann Tiedje den Rheinmetall-Chef Papperger im November 2017 zu einem Gespräch mit dem damaligen Außenminister Sigmar Gabriel (SPD). Rheinmetall macht zudem regelmäßig Geschäfte mit Saudi-Arabien. Über Tochterfirmen in Südafrika und Italien liefert der Konzern – trotz eines deutschen Exportstopps – offenbar bis heute Rüstungsgüter an das Königreich, wie der stern in seiner aktuellen Ausgabe berichtet.

Den früheren Siemens-Chef Peter Löscher benannte die Agentur ebenfalls als wichtige Persönlichkeit. Nach einer dem stern vorliegenden WMP-Kundenliste aus dem Jahr 2015 wurde Löscher damals zusammen mit der von ihm bis 2016 geführten Schweizer Holding Renova des russischen Milliardärs Viktor Vekselberg von der Agentur  betreut.

Merz bewegte sich im Dunstkreis von WMP

Ein anderer Name ist der damalige CDU/CSU-Fraktionsvize Michael Fuchs. WMP nannte ihn den Saudis als wichtigen Entscheider. Fuchs trat bei der letzten Bundestagswahl aber nicht mehr an, sondern wurde Berater und dann Aufsichtsrat  bei WMP.

Auch der CDU-Politiker und Kandidat für den Parteivorsitz, Friedrich Merz, bewegte sich im Dunstkreis von WMP. So gestattete Merz der Agentur über Jahre hinweg, auf der Website mit einem Testimonial („Das Unternehmen arbeitet erfolgsorientiert und sehr kompetent“) Eigenwerbung zu betreiben. Sein Name taucht nun  auch in der Aufstellung für die Saudis auch. März versichert heute, er habe in Sachen Saudi-Arabien „keine Gespräche angebahnt oder mir anbahnen lassen“.

Immer wieder besuchten Prominente in der Vergangenheit Veranstaltungen von WMP. Einige davon standen nun auf der Liste für die Saudis. Der CSU-Abgeordnete und Ex-Verkehrsminister Peter Ramsauer etwa taucht nicht nur in der Präsentation als „potenzieller Kontakt“ auf. Er war nach Recherchen des stern und des ARD-Magazins „Report München“ auch zuletzt im Juli dieses Jahres Gast auf der alljährlichen Bootstour von WMP auf der Spree – so wie auch die Ex-Politiker Hans Eichel und Thilo Sarrazin (beide SPD) sowie Rezzo Schlauch (Grüne). Ramsauer gibt an, die Teilnahme an der Bootsfahrt sei „neben vielen anderen ähnlichen Anlässen“ nichts Besonderes gewesen. Allerdings unterhält Ramsauer als Präsident der deutsch-arabischen Wirtschaftskammer Ghorfa durchaus Beziehungen zu Saudi-Arabien.

Auch der Name Oettinger fällt

Selbst der FC Bayern München könnte den Saudis aus WMP-Sicht  dienlich sein. Bayern-Vorstand Andreas Jung stand als wichtiger „Beeinflusser“ auf der Liste – auch wenn er dann nicht zum Einsatz kam. Der FC Bayern bestätigte, dass Jung „2016 und 2017 jeweils einen Empfang des katarischen Botschafters in Berlin besucht“ habe. WMP sei wohl die Agentur gewesen, die diese Veranstaltungen organisiert habe: „Im Anschluss gab es eine Essenseinladung, die ebenfalls offenbar von WMP organisiert worden war.“ Andere Beziehungen zur Firma WMP habe man aber nicht unterhalten.

Tatsächlich hatte WMP mindestens seit 2015 auch für das Emirat Katar gearbeitet. Gegen diesen damaligen WMP-Kunden verhängte dann ausgerechnet der spätere WMP-Kunde Saudi-Arabien im Juni 2017 einen förmlichen Boykott. Bei dem Sommerfest der Kataris, das Ende September 2015 in Berlin stattfand, fand sich unter den Gästen – die Welt ist klein – CSU-Mann Peter Ramsauer.

Für die Organisation der Sause heuerte WMP damals als Subunternehmer die Hamburger Eventagentur von Friederike Beyer angeheuert. Sie ist die Lebensgefährtin des EU-Kommissars Günther Oettinger (CDU). Ihre Firma sei „für die Organisation von Catering, Technik und Musikern des Sommerfestes“ zuständig gewesen, bestätigt Beyer dem stern. Spekulationen, das Engagement könnte ein Manöver gewesen sein, um Oettinger zu umgarnen, weist Beyer zurück: „Das ist etwas für Verschwörungstheoretiker. Der Name meines Lebensgefährten hat bei den Verhandlungen nie eine Rolle gespielt.“ Auch WMP dementiert die Spekulation, sie entbehre „jeder Grundlage“.

Der saudische Informationsminister war Auftraggeber

Sicher ist, dass WMP-Aufsichtsratschef Tiedje Beyers Lebensgefährten Oettinger wiederholt öffentlich bescheinigte, er habe das Zeug zum Bundeskanzler. Und WMP führte Oettinger auf der Liste der Entscheider für die Saudis auf. Das sei gegen seinen Willen geschehen, gibt der CDU-Mann selbst auf Anfrage an: „Ich habe meine Nennung nicht autorisiert“, so Oettinger: „Dass mit meinem Namen geworben wird, war mir auch nicht bekannt.“ Er kennt nach eigenen Angaben zwar WMP-Chef Inacker. WMP habe ihn aber „nie“ in Sachen Saudi-Arabien kontaktiert: „Es fand auf diesem Wege auch kein Treffen mit saudi-arabischen Vertretern statt“, so Oettinger.

Auftraggeber von WMP war zuletzt das sogenannte Informationsministerium in Riad, das auch die Medien in Saudi-Arabien beaufsichtigt. Minister Awwad Alawwad gilt als Anhänger des Kronprinzen Mohammed bin Salman, der wiederum der Anstiftung zum Mord an dem Journalisten Khashoggi verdächtigt wird. Von Herbst 2015 bis Frühjahr 2017 amtierte der heutige Informationsminister als Botschafter in Berlin. Im Jahr 2016 unterhielt WMP dann einen Vertrag mit der Botschaft. Agenturchef Inacker begleitete Alawwad zum Beispiel zum Interview mit dem „Tagesspiegel“. Laut dem Blatt lief auch die Autorisierung des Interviews über WMP.

„Kritische Diskussionen“ drohten das Image Saudi-Arabiens zu beschädigen

In einem Interview mit dem Branchendienst Meedia erläuterte WMP-Chef Inacker nun, es sei bei dem Auftrag „um die Förderung des Dialogs zwischen Vertretern der Reformkräfte und der Zivilgesellschaft Saudi-Arabiens sowie Repräsentanten des öffentlichen Lebens in Deutschland“ gegangen. Man achte die Unabhängigkeit deutscher Journalisten und  habe den Saudis klar gemacht, „dass nur wirkliche Verhaltensänderungen und die Fortschreibung der Reformen zu einer Verbesserung des Medienbildes im westlichen Ausland führen können“.

In der Präsentation im Jahr 2017 klang das teilweise noch anders. „Kritische Diskussionen“ etwa über „Menschenrechte“ drohten das Image des Königreichs erneut zu beschädigen und könnten zu scharfen Debatten führen, hieß es da. Dagegen brauche es dann erneut einen „umfassenden kommunikativen Ansatz“, warnte die Agentur.

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