Mein Interesse an Autos war immer überschaubar. Ich halte sie für Fortbewegungsmittel und nicht mehr. Meine Frau hält sie lediglich für überdimensionierte, rollende Handtaschen. Ganz früher hatten wir mal einen uralten Mercedes, aus dessen bemoostem Dach irgendwann ein Pflänzchen wuchs. Mit Autopflege hatten wir es auch nicht so. Wir sind wohl keine guten Deutschen. Vor unserem Umzug nach London schafften wir unseren Wagen ab, es war für alle Beteiligten vermutlich das Beste.

„Top Gear“ – eine Auto-Sendung mit nur wenig Autos

In England sind wir nun zu großen Autofans geworden. Das heißt: Nicht unbedingt von Autos, aber von einer Fernsehserie, in der es offiziell um Autos geht, inoffiziell aber darum, dass drei halbwegs erwachsene Männer grotesken Unfug mit Autos anstellen und sich darüber hinaus derart politisch unkorrekt verhalten, dass es immer wieder zu diplomatischen Zerwürfnissen kommt. Sie heißen Jeremy Clarkson, Richard Hammond und James May, und sie machten aus „Top Gear““ einen BBC-Exportschlager. 350 Millionen Menschen schauten zu weltweit. Bis auf Nordkorea und Frankreich, soweit ich weiß, läuft die Serie überall. „Top Gear“ wurde in acht Sprachen übersetzt, darunter auch Farsi. Die findigen Übersetzer fanden sogar ein Farsi-Äquivalent für das von Clarkson gern benutzte „gentleman’s sausage“ – Sie wissen schon. In Farsi heißt das nun „die getrockneten Hoden des Pharao“.
So eine Autosendung war das.

Die drei halbwegs erwachsenen Männer tobten sich zwölf Jahre lang in der BBC aus; sie sprengten Autos in die Luft, bastelten aus Autos Raketen, die sie in die Umlaufbahn schießen wollten, ließen einen Mini-Cooper von einer norwegischen Schanze fliegen, testeten Karossen auf ihre Gangster-Tauglichkeit, in dem sie dicke albanische Komparsen in Kofferräume stopften. Und fuhren vor allem durch die Welt und beleidigten bei dieser Gelegenheit immer wieder Einheimische.

Jeremy Clarksons Kunst der Beleidigung

Zeitlos schön und treffender denn je Clarksons Beschreibung von Amerikanern: „Ich glaube wirklich, dass sich in einigen Gegenden der USA die Leute inzwischen mit Gemüse paaren.“ Seine Sprüche haben es auf der Insel zu einem feststehenden Begriff geschafft, „Clarksonisms“, Clarksonismen. Einer geht so: „Der einzige Mensch, der in einem Viersitzer-Cabrio gut aussah, war Adolf Hitler“. Ein andermal riet er, Wagen der Marke Suzuki zu meiden wie „ungeschützten Sex mit einem äthiopischen Transvestiten“. Das muss man nicht mögen. Darf man aber. Vor zwei Jahren brachten es die drei Herren sogar fertig, ganz Argentinien in Wallung zu versetzen.  Am Heck ihres Porsches leuchtete das Nummernschild H982 FKL, und die Argentinier deuteten die Buchstaben- und Zahlenkombination als Anspielung auf den Falkland-Krieg aus dem Jahr 1982. Danach gab es eine Art Falklandkrieg II. Die Crew musste aus Südamerika türmen. Das muss man erst mal schaffen. Trump würde das vielleicht noch hinbekommen, aber sonst? Es war in einem Wort: herrlich.

Im vergangenen Frühjahr war dann leider Schluss mit lustig. Bei Dreharbeiten in Yorkshire vermöbelte der unberechenbare Clarkson einen Produzenten und nannte ihn dem Vernehmen nach auch noch „lazy Irish cunt“ – die BBC suspendierte ihn, und die politisch Korrekten des Landes atmeten kollektiv auf. Aus Solidarität kündigten seine Kollegen May und Hammond gleich mit. Die Nachfolge der drei Irren trat der Radiomoderator Chris Evans an und bekam Beistand von dem autoaffinen US-Schauspieler Matt LeBlanc. Es gab dann einen großen Hype, als das runderneuerte „Top Gear“ nach einem Jahr Pause wieder auf Sendung ging. Aber der Hype fiel in sich zusammen wie ein misslungenes Soufflee. Sie mühten sich redlich, aber alles, was sie zuwege brachten, war eine ordinäre Autosendung. Es war in einem Wort: jämmerlich.

Nach nur einer Staffel kündigte Chris Evans. Es hatte keinen Sinn mehr. Es war in etwa so, als hätte man Werner Lorant oder Peter Neururer zum Trainer des FC Bayern befördert, in dem Glauben, die Bayern könne niemand kaputt kriegen. Geht aber. Das ist per se eine gute Nachricht. Nur nicht für Evans. Der ist zwar ein Autonarr wie Clarkson, aber die Betonung liegt bei ihm dummerweise auf Auto. Bei Jeremy Clarkson lag sie auf Narr. Das erklärte den gigantischen Erfolg von „Top Gear“. Eine Autosendung, in der es vornehmlich um Autos geht, will nämlich niemand sehen.

Eine Welttournee in 36 Episoden

An diesem Freitag nun kehren die drei Irren aus dem Original zurück. Nicht zu „Top Gear“ und auch nicht zur BBC. Clarkson, May und Hammond haben sich mit ihrem Produzenten Andy Wilman selbständig gemacht, wechselten zu Amazon Prime, unterschrieben dort einen 160 Millionen Pfund schweren Vertrag für drei Jahre und gehen dort fortan 36 Episoden lang auf „Grand Tour“. Eine Welttournee. Sie filmten in den USA, Namibia, Frankreich, Holland, Finnland, Portugal, Italien, Marokko und Jordanien. Die Premierensendung entstand in einem gigantischen Zelt in Südafrika. Deshalb schon, weil die Südafrikaner, wie Clarkson diagnostizierte, sich selbst über den lahmsten Witz ein ganzes Jahr schlapp lachen können. Nach Deutschland kommen sie mit ihrem Zelt auch. Nur mit dem Schlapplachen wird es dort schwieriger. Clarkson nennt das den „Lackmus-Test“.

Gerade erst erlebten sie, wie humorlos etwa Bodenpersonal in Deutschland sein kann. Den Dreien wurde auf dem Stuttgarter Flughafen das Boarden verweigert. Angeblich von einem Bediensteten argentinischer Herkunft (!), der in memoriam der Falkland-Erschütterungen den prominenten Fluggästen ein zünftiges „Fuck you“ zurief. Sie verpassten den Heimflug, Clarkson bezeichnete den Südamerikaner ebenso zünftig als „glatzköpfigen, ignoranten, kleinen Wurm“. Und „Grand Tour“ hatte vor der ersten Ausstrahlung ein erstes, putziges Skandälchen. Das hätten sie gar nicht gebraucht. Denn die Serie ist zurzeit neben Trump und Brexit ohnehin das große Thema in den britischen Medien. Das „Sunday Times Magazine“ widmete den drei Irren gerade sogar ein ganzes Heft. Und darin erzählen sie zum Beispiel, wie sie mit den amerikanischen Rechtsanwälten darüber verhandeln mussten, ob James May auch auf Amazon Prime sein Lieblingsschimpfwort „cock“, also Schwanz auf Deutsch, sagen darf. Mit „cock“ meint May in neun von zehn Fällen den Kollegen Clarkson und beim zehnten Mal Motorschaden. Er sagt ähnlich oft „cock“ wie Clarkson „gentleman’s sausage“. Einmal, nach einem der üblichen Vorwürfe gegen Clarkson wegen einer vermeintlich rassistischen Beleidigung sprang May dem Kollegen unnachahmlich bei. Jeremy, twitterte James May, sei zwar ein „monumentaler Schwanzkopf“, ein Rassist sei er allerdings nicht. May darf natürlich auch bei Amazon „cock“ sagen.

Eine Auto-Sendung ganz ohne Autos

Sie dürfen überhaupt alles Mögliche sagen und tun. Und sich benehmen wie drei Jungs, die nie erwachsen werden wollen. „Grand Tour“ wird bombastisch, geschmacklos, laut und schmutzig und garantiert politisch unkorrekt. Nach einem Dreh stellten die Drei fest, dass in dem ganzen Film nicht ein Auto vorkam. Es wird in einem Wort: wunderbar. Und nahezu perfekt für Leute wie mich, die Autosendungen nur dann gucken, wenn garantiert möglichst wenig Auto drin ist.

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