Ein Stadt voller Renaissancegebäude, 300 Stück, alle denkmalgeschützt: Das belgische Mechelen ist eine Perle Flanderns. Doch das war nicht immer so, denn bis vor kurzem, Anfang der 2000er, galt die 90.000-Einwohner-Gemeinde noch als dreckigste Stadt Belgiens. Das war die Zeit, als Bart Somers dort das Amt des Bürgermeisters übernahm. „Wir hatten eine hohe Kriminalitätsrate, leere Geschäfte und eine flüchtende Mittelschicht“, berichtet er. Heute, so der seitdem zweimal im Amt bestätigte Bürgermeister, sei Mechelen eine der attraktivsten und am schnellsten wachsenden Städte Flanderns, sauber und sicher.

Dass Mechelen einen Turnaround gemacht hat, hat sich rumgesprochen, nicht nur in Belgien. Im groß angelegten Ranking „European Cities of the Future“ des Financial-Times-Ablegers fDiIntelligence landete es 2016 in der Top Ten europäischer Kleinstädte. Doch der eigentliche Grund für den Respekt, mit dem man dem liberalen Politiker im Regionalparlament Flanderns und auf den Fluren der Brüssels – er ist dort Vertreter im EU-Ausschuss der Regionen – entgegentritt, ist das kleine Integrationswunder, das Somers vollbracht hat.

Hierzu muss man wissen, dass in den Nachbarstädten Mechelens jahrelang der Salafismus unheilvoll und ungehindert wirken konnte. Rund 400 Jugendliche wurden hier zu Kämpfern für den „Islamischen Staat“ und zu Attentätern in Paris und Brüssel. Immer deutlicher entstand zuletzt ein Gesamtbild Belgiens, in dem eine Mischung aus Armut, Ausgrenzung und Kriminalität in den Migrantenvierteln zur Radikalisierung von Jugendlichen geführt hat.

Spitzname „Mr. Zero Tolerance“

Nur Mechelen blieb davon unberührt. „Unsere Region hat nur 3,5 Millionen Einwohner, stellt aber acht Prozent der insgesamt rund 5000 Europäer, die für ISIS in Syrien kämpfen“, zitiert Somers die Zahlen aus dem Kopf, „93 kommen aus Antwerpen, 198 aus Brüssel, 28 alleine aus Vilvoorde, unserer Nachbarstadt, die nur halb so groß ist wie Mechelen. Und aus meiner Stadt? Niemand!“ Wie das?

Wahrscheinlich ist es eine Politik, die sich keinem politischen Lager zuordnen lässt – Bart Somers setzt auf eine Mischung aus Law-and-Order und Multikulturalismus. „Meine Politik ruht auf zwei Beinen“, erläutert er, „auf Sicherheit und auf Integration.“ Das rechte Bein hat ihm den Spitznamen „Mr. Zero Tolerance“ eingebracht. Als Bürgermeister ist er strikt gegen Dealer, Hehler und Kleinkriminelle vorgegangen und hat die Videoüberwachung in der Stadt massiv ausgeweitet.

„Wir haben mehr in die Polizei investiert und haben mehr Kameras im öffentlichen Raum als jede andere Stadt in Belgien“, gibt der Liberale gerne zu. „Und wenn es notwendig ist, benutzen wir auch das Zero-Tolerance-Konzept, aber nicht immer.“

Das linke Standbein von Bart Somers ist ein engagierter Wille, die 128 Nationalitäten der Stadt und die 20 Prozent Muslime Mechelens mit einer flämischen Bevölkerungsmehrheit zu verschmelzen, die bei den Kommunalwahlen 2006 die rechtsextreme Vlaams Belang schon einmal auf 27 Prozent brachte. „Ich begrüße Vielfalt, und ich versuche, eine inklusive Gesellschaft zu gestalten“, erklärt Somers. Er sei Mechelener in der 14. Generation, aber habe doch deshalb keinen Besitzanspruch auf die Stadt. „Ich bin die erste Generation, die in einem multikulturellen Mechelen wohnt, und es ist meine Stadt genauso wie es die Stadt von Mohammed ist, der erst seit einigen Jahren hier lebt.“

Somers spricht schnell und leidenschaftlich, wenn er seine Politik darlegt. Die Linke würde ihn kritisieren, weil er für Sicherheit, saubere Straßen und die Durchsetzung des Rechtsstaates sorge. Die Konservativen störten sich daran, dass er Wert auf Integration und Gleichberechtigung lege und eine strenge Antidiskriminierungslinie verfolge. Mit Zuckerbrot und Peitsche für die Integration? „Ich benötige eine offene Gesellschaft, aber die bekomme ich nur, wenn ich für die Einhaltung der Gesetze sorge“, verteidigt er den politischen Spagat. Offenheit setze Vertrauen in der Gesellschaft voraus, aber wie könne man Vertrauen schaffen, wenn die Menschen das Gefühl hätten, in einer unsicheren Umgebung zu leben?

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