Halbzeit-Bilanz als SPD-Waffe?
Berlin (dpa) – Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Hoffnungen der SPD auf eine umfassende Nachverhandlung der Sondierungsergebnisse mit der Union eine Absage erteilt.
«Die Eckpunkte dieses Papiers können nicht neu verhandelt werden», sagte die CDU-Vorsitzende an diesem Mittwoch in Berlin. Es sei lediglich noch möglich, einige Punkte «auszubuchstabieren».
Merkel betonte, die Union habe in den Sondierungen über eine erneute große Koalition «herbe Konzessionen gemacht». Nun sei eine gute Grundlage für Koalitionsverhandlungen gefunden. Sie hoffe, dass die SPD auf ihrem Parteitag am Sonntag «eine verantwortliche Entscheidung» treffe.
600 Delegierte und der Parteivorstand stimmen dann in Bonn darüber ab, ob SPD-Chef Martin Schulz Koalitionsverhandlungen mit der Union aufnehmen darf. Kritiker aus Reihen der SPD beurteilen einerseits die Sondierungsergebnisse von Union und SPD als unzureichend und wünschen sich «Nachbesserungen» etwa in der Steuerpolitik. Viele haben aber auch prinzipielle Bedenken gegen eine erneute große Koalition.
Jenseits der konkreten Inhalte setzen führende Sozialdemokraten beim Werben für GroKo-Verhandlungen daher auf die bereits vereinbarte Zwischenbilanz nach zwei Jahren. «Für die SPD ist das die Chance zu sagen, mit diesen Ergebnissen sind wir zufrieden – und in anderen Punkten muss man nachbessern», sagte Schulz dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Er sprach von einer «Mid-Term-Evaluierung». Der Sprecher der Parlamentarischen Linken der SPD, Matthias Miersch, nannte diese Regelung ein «scharfes Schwert».
Auf so eine Halbzeit-Überprüfung haben sich die Sondierer bereits festgelegt. Die Rede ist von einer «Bestandsaufnahme». Auf die Frage, ob die SPD im Fall einer negativen Zwischenbilanz die Koalition verlassen würde, sagte Miersch: «Das kann ich jetzt überhaupt noch nicht sagen.» Er gehörte vor den Sondierungen zu den GroKo-Kritikern.
Schulz wollte seine Werbetour vor dem SPD-Sonderparteitag am Mittwoch bei der bayerischen SPD-Landtagsfraktion im Kloster Irsee fortsetzen. Die Stimmung innerhalb ihres Landesverbands sei nachdenklich, sagte die bayerische Landeschefin Natascha Kohnen im ZDF. Am Abend wurde Schulz bei der rheinland-pfälzischen SPD in Mainz erwartet.
Unterstützung bekam Schulz am Mittwoch von einem Dutzend SPD-Oberbürgermeistern aus acht Bundesländern. «Die mit einer Regierungsbeteiligung verbundene Möglichkeit sozialdemokratische Politik für die Menschen zu gestalten, darf nicht ausgeschlagen werden», heißt es in einer Mitteilung der Oberbürgermeister von Düsseldorf, Bielefeld, Gelsenkirchen, München, Hannover, Mainz, Saarbrücken, Karlsruhe, Nürnberg, Mannheim, Kiel und Leipzig. Entscheidend müsse der Entwurf eines Koalitionsvertrags sein, nicht die Ergebnisse der Sondierungsgespräche. «Wir unterstützen daher die Aufnahme von Koalitionsgesprächen.»
Auch die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz, warb für Verhandlungen mit CDU und CSU und zeigte sich mit Blick auf den Parteitag optimistisch. Bei den Sondierungsvereinbarungen zu Migrations- und Integrationsthemen sieht die Hamburger SPD-Politikerin insgesamt mehr Licht als Schatten, auch wenn ihr die Einschränkungen beim Familiennachzug schwer im Magen liegen.
«Ich bin guten Mutes, dass sich am Sonntag die Mehrheit der Delegierten für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen aussprechen wird», sagte Özoguz der Deutschen Presse-Agentur. Sie betonte: «Eine Obergrenze wird es nicht geben, auch wenn einige den Zielkorridor von 180 000 bis 220 000 Zugängen pro Jahr so interpretieren wollen.» Kritik übte sie dagegen an dem Kompromiss zum Familiennachzug zu Flüchtlingen mit eingeschränktem Schutzstatus. An die Adresse ihrer Parteikollegen sagte Özoguz: «Wir dürfen das Feld nicht denen überlassen, die nur angstbesetzte Debatten führen wollen.»
Das Streitthema Familiennachzug wird noch in dieser Woche im Bundestag diskutiert. CDU, CSU und SPD hatten sich darauf verständigt, den Familiennachzug für subsidiär Geschützte künftig wieder zu erlauben. Allerdings sollen pro Monat nicht mehr als 1000 Angehörige nach Deutschland kommen dürfen. Betroffen sind vor allem Kinder und Ehepartner von Bürgerkriegsflüchtlingen aus Syrien.
Zunächst jedoch will die Union den Nachzug der Kernfamilien für weitere viereinhalb Monate aussetzen. Über einen entsprechenden Gesetzentwurf von CDU und CSU berät der Bundestag an diesem Freitag. Er sieht vor, dass die ursprünglich bis zum 16. März geltende zweijährige Aussetzung des Familiennachzugs für diese Gruppe bis zum 31. Juli verlängert wird. Die Union will damit verhindern, dass der im März 2016 beschlossene Stopp für den Familiennachzug zu subsidiär Geschützten endet, bevor eine neue Regelung greift, die das Ergebnis von Koalitionsgesprächen mit der SPD sein könnte.
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