Auf der Migrationsroute über Belarus und Polen sind nach Erkenntnissen der Bundespolizei binnen zwei Tagen knapp 500 Menschen unerlaubt nach Deutschland eingereist. Vom 1. bis 21. Oktober erfasste die Behörde demnach insgesamt 3.751 Fälle – zwei Tage vorher lag die Zahl noch bei 3.262. Seit Jahresbeginn registrierte die Bundespolizei bis einschließlich Donnerstag 6.162 illegale Einreisen über die Belarus-Route. Brennpunkt sei dabei die deutsch-polnische Grenze.
Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums sagte zu dem Anstieg der Zahlen, der Trend sei „noch nicht gebrochen“. Auch
nach Einschätzung der Bundespolizei zeichnet sich eine Entspannung
„derzeit nicht ab“. Seit August bestehe an der deutsch-polnischen Grenze
„einen hohen Migrationsdruck“, der sich insbesondere aus der Durchreise
von Migranten über Belarus und Polen ergebe.
Der belarussische Autokrat Alexander Lukaschenko hatte im Frühjahr als Reaktion auf westliche Sanktionen angekündigt, er werde Migranten auf dem Weg in die Europäische Union nicht mehr aufhalten. Die Zahl irregulärer Grenzübertritte an den EU-Außengrenzen zu Belarus sowie an der deutsch-polnischen Grenze nimmt seitdem zu.
Im Zeitraum Januar bis Juli wurden laut Bundespolizei an der
deutsch-polnischen Grenze nur insgesamt 26 unerlaubt eingereiste
Menschen mit einem Belarus-Bezug festgestellt. Allein für den August
wurden 474 solcher illegaler Einreisen verzeichnet. Im September folgte
ein weiterer Anstieg auf 1.903.
Flüge für Geflüchtete nach Belarus „offenbar“ lukrativ
Die Bundesregierung will daher gemeinsam mit den europäischen Partnern erreichen, dass Flüge mit Flüchtlingen nach Belarus verhindert werden. Der Irak sagte das bereits zu. Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums teilte mit, die Bundesregierung sei in Gesprächen mit Regierungen anderer Länder erfolgreich gewesen, „sodass sich einzelne Fluggesellschaften davon distanziert haben“. Es träten allerdings zugleich relativ neue oder kleine Fluggesellschaften in Erscheinung, „weil es sich offenbar für sie lohnt, Flüge anzubieten“. Das unterstütze die Vermutung, „dass der Kreis derer, die das Schleusungswesen zumindest nicht unterbrechen oder gar befördern, ein etwas größerer Kreis ist“.
Ein Sprecher des Auswärtigen Amts sagte, es werde genau beobachtet, „welche Ausweichrouten jetzt gewählt werden“. In den vergangenen Wochen sei eine Zunahme von Direktflügen nach Minsk aus dem Libanon und Jordanien festgestellt worden, es gebe aber auch Flüge über die Türkei und die Vereinigten Arabischen Emirate. Es gebe Unternehmen, die in den entsprechenden Herkunftsländern wie dem Irak „Reisepakete gezielt vermarkten mit One-Way-Flügen“.
Es gehe darum, im Rahmen der EU das Sanktionsregime so zu erweitern, dass auch außerhalb von Belarus tätige Fluggesellschaften oder Reiseunternehmer mit Sanktionen bedroht werden, wenn sie sich an Schleusungen beteiligen, sagte der Außenamtssprecher. Dazu lägen auch von deutscher Seite eingebrachte Vorschläge in Brüssel vor. „Wir sind jetzt dabei zu versuchen, so schnell wie möglich entsprechende Beschlüsse des Rats auch zu fassen“, sagte der Sprecher. Als weitere Punkte nannte er die Ansprache der Behörden in den Herkunfts- und Transitländern. Zudem müssten die für den internationalen Flugverkehr zuständigen Stellen für die Problematik sensibilisiert werden.
UN-Flüchtlingswerk kritisiert polnische Regierung
Kritik wird inzwischen aber auch am Verhalten von Polen laut. Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR wirft der Regierung in Warschau vor, den Zugang zu 32 afghanischen Flüchtlingen zu verweigern, die an der polnisch-belarussischen Grenze festsitzen. Die Menschen würden als Geiseln in einer politischen Blockade benutzt, sagte die UNHCR-Regionaldirektorin für Europa, Pascale Moreau. Mit der Nichtzulassung eines Asylgesuchs verletzten Belarus und Polen eindeutig internationales Recht.
Laut den Vereinten Nationen verwehrte Polen trotz wiederholter Anfragen UN-Mitarbeitern einen Zugang zu den Geflüchteten. Lediglich von der belarussischen Seite der Grenze aus hätten Vertreter des UNHCR lebenswichtige Hilfe zu den Gestrandeten bringen können. Die Afghanen wünschten ausdrücklich, in Belarus oder in Polen Asyl beantragen zu können, hieß es in der Mitteilung.
„Wir ersuchen Belarus und Polen als Unterzeichner der Flüchtlingskonvention von 1951 dringend, ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen und Schutzsuchenden an ihren Grenzen Zugang zu Asyl zu gewähren“, sagte Moreau. Push-backs, die den Zugang zum Territorium und zu Asyl verweigerten, verletzten Menschenrechte und stellten einen Bruch des Völkerrechts dar.
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