Die Proteste in Chabarowsk verstummt, Lukaschenko immer noch auf seinem Diktatoren-Thron und Alexej Nawalny im Gefängnis: Russland droht wieder im komatösen Schlaf zu versinken. Doch aus dem Süden kommt ein Lichtlein her. 

Als am Abend des 2. Februar in einem Moskauer Bezirksgericht das Urteil gegen Alexej Nawalny verkündet wird, starre ich voller Unglauben auf den Fernsehbildschirm. Ja, dass dies nicht anders kommen würde, war bereits deutlich, als Nawalny in Berlin in das Flugzeug gestiegen ist, um den Rückflug in seine Heimat anzutreten. Und doch blieb irgendwo ganz tief im Inneren ein wenig Hoffnung – darauf, dass jemand im Kreml der Vernunft und nicht dem Rachedurst den Vorzug gibt.

Unglaube, Wut, Resignation: Die Mischung aus Emotionen, die das Urteil gegen Nawalny auslöst, ist schwer in Worte zu fassen. Was in den Straßen von Chabarowsk im fernen Osten Russlands gezündet wurde, erlosch in einem dämmrigen Gerichtssaal in Moskau: ein Fünkchen von Revolution.

Als im vergangenen Sommer in der fernöstlichen Stadt hunderttausende Menschen sich zum Schutz ihres verhafteten Gouverneurs Sergej Furgals erhoben, schien Russland aus einem jahrelangen Schlaf aufzuwachen. Sie lieferten den eindrucksvollen Beweis: Es gibt sie doch noch, die Menschen, die vom „Zombie-Kasten“ noch nicht zu „Putinoiden“ verwandelt wurden – zwei geflügelte Wörter unter russischen Freigeistern. Gemeint sind das Staatsfernsehen und die Anhänger Putins, die blind an den Lippen ihres Präsidenten hängen.

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Nawalny ist einer derjenigen, der Jahre damit zugebracht hat, seine Landsleute aus dem Dornröschenschlaf zu wecken, in den die immerwährende Kreml-Propaganda sie geschickt hat. Es sollte ihn fast das Leben kosten.

Sein Überleben demütigte den Kreml und verlieh der russischen Opposition ungeahnten Mut– während Putin sich gewünscht haben mag, zwei Köpfe zu haben, ganz so wie der Adler auf dem russischen Staatswappen. Um nach Ost und West blicken zu können, nach Chabarowsk und Belarus, wo sein politischer Ziehvater Alexander Lukaschenko zu stürzen drohte.

Die Hoffnung kommt aus Kirgistan 

Und nun, ein halbes Jahr später: Die Proteste in Chabarowsk sind so gut wie verstummt, Lukaschenko ist immer noch an der Macht, Nawalny in Haft. Ernüchternd.

Russland droht wieder im Schlaf zu versinken. So sieht Putin sein Land am liebsten. Aber es gibt ihn doch noch, den Hoffnungsschimmer. Er kommt aus einem Land, das in Deutschland kaum jemand auf dem Schirm hat: Kirgistan. Dort stürmten im vergangenen Oktober aufgebrachte Kirgisen das Regierungsgebäude, befreiten den Oppositionspolitiker Sadyr Schaparow aus dem Gefängnis und wählten ihn zum neuen Präsidenten. Wahlfälschungen waren der Auslöser. Haft muss für einen Oppositionellen nicht das Ende bedeuten.

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