Es war 3.30 Uhr am Dienstagmorgen, als die Sitzung endlich zu Ende war. Sieben Stunden lang hatten Vertreter von EU-Kommission, Europaparlament und EU-Rat über die neue Waffenrichtlinie verhandelt. Am Ende waren sie sich in den meisten Punkten einig – doch die Kommission hat einen endgültigen Abschluss des sogenannten Trilogs noch verhindert, weil sie in mindestens einem Punkt weiter auf eine Verschärfung dringt.
Der wichtigste Punkt des aktuellen Kompromisses: Halbautomatische Sturmgewehre wie etwa die als „Kalaschnikow“ bekannten AK-47 und -74 sollen künftig verboten sein. Dabei handelt es sich um Zivilmarkt-Versionen vollautomatischer Kriegswaffen. Sie sind unter der bisherigen EU-Richtlinie lediglich genehmigungspflichtig, können also von Privatleuten gekauft werden.
Aus Sicht der Kommission, die den Vorschlag für die Richtlinie nach dem Terroranschlag von Paris im November 2015 eingebracht hatte, war das Verbot dieser Waffen besonders wichtig. Denn während Vollautomaten im Dauerfeuer schießen, sobald man den Auslöser betätigt, feuern halbautomatische Waffen nur einen Schuss ab und laden dann automatisch nach. Das macht sie bei Schießereien besonders tödlich, da sie eine große Präzision bei immer noch schneller Schussfolge ermöglichen.
Derartige Zivilmarkt-Versionen der auch als Kalaschnikow bekannten AK-47 und -74 oder der amerikanischen AR-15-Baureihe wurden wiederholt von Amokläufern und Terroristen verwendet. Wie SPIEGEL ONLINE aus Verhandlungskreisen erfuhr, sollen nun alle Gewehre der AK- und AR-15-Serien inklusive ihrer Varianten ausdrücklich verboten werden. In der bisherigen Richtlinie ist lediglich von „zivilen halbautomatischen Feuerwaffen, die wie vollautomatische Kriegswaffen aussehen“ die Rede – eine schwammige Formulierung.
Die Kapazität der Magazine soll auf zehn Schuss bei Langwaffen und 20 Schuss bei Kurzwaffen begrenzt werden. Die Kommission hatte für beide Typen ein Zehn-Schuss-Limit verlangt – unter anderem unter Hinweis auf den Amoklauf von München, bei dem der 18-jährige David S. mit einer 17-schüssigen Glock-Pistole neun Menschen und sich selbst umgebracht hatte. Nun aber dürfen europäische Waffenschmieden wie Glock, Walther, Heckler & Koch, Sig Sauer oder Beretta ihre Pistolen weiter legal an Privatleute verkaufen: Sie haben meist 15 bis 19 Schuss im Magazin, liegen also allesamt innerhalb des 20-Schuss-Limits.
Museen und private Sammler, deren Waffenkäufe auf EU-Ebene bisher überhaupt nicht reguliert sind, sollen nun ebenfalls von der Richtlinie erfasst werden. Allerdings sollen sie sich – wenn auch unter Auflagen – auch weiterhin Kriegswaffen zulegen dürfen, darunter Maschinengewehre oder Granatwerfer.
An einem Punkt sieht die Kommission weiterhin Handlungsbedarf: Halbautomatische Waffen, die von vornherein als solche konstruiert und nicht nachträglich umgebaut wurden, wären laut der Richtlinie weiterhin erlaubt. Das ist aus Sicht der Kommission eine unakzeptable Lücke. Auch der Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Richtlinie ist noch umstritten.
Die Frage ist, wie weit die Kommission zu gehen bereit ist. Blockiert sie den Kompromiss, könnte die Richtlinie nur umgesetzt werden, wenn die EU-Mitgliedstaaten einen einstimmigen Beschluss fällen und sich mit dem Europaparlament einig werden. Ob das gelingen kann, steht in den Sternen. Im Extremfall könnte die Kommission ihren Vorschlag auch ganz zurückziehen, was allerdings als unwahrscheinlich gilt. Denn schon in ihrer jetzigen Form bedeutet die Richtlinie eine Verschärfung des Waffenrechts, insbesondere in EU-Ländern mit laxen Regeln.
In Deutschland dagegen ist das Waffenrecht in den meisten Punkten schon jetzt strenger als das, was in der EU-Richtlinie steht. Zudem haben sich Jäger und Sportschützen, die teils aggressiv gegen den Kommissionsvorschlag lobbyiert haben, in einem Punkt durchgesetzt: Eine rückwirkende Anwendung der neuen Richtlinie wird es nicht geben, niemand muss seine Waffensammlung abgeben. „Es gibt einen Bestandsschutz für alle Waffen, die bis heute rechtmäßig erworben wurden“, sagt der CDU-Europapolitiker Andreas Schwab. Allerdings: Bei einem erneuten Verkauf könnte das nach Ansicht der Kommission anders aussehen.
Wann es zu einer endgültigen Einigung über die Richtlinie kommen wird, ist noch unklar. Am Mittwoch treffen sich in Brüssel die EU-Botschafter der EU-Mitgliedsländer, um über ihr weiteres Vorgehen abzustimmen.
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