Schwere Vorwürfe von Erdogan

Berlin/Istanbul (dpa) – Die verzögerte Ausreise einer hochrangigen türkischen Abgeordneten aus Deutschland hat zu diplomatischen Verwicklungen zwischen Ankara und Berlin geführt.

Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan erhob schwere Vorwürfe gegen die deutschen Behörden, Deutschlands Botschafter Martin Erdmann wurde ins türkische Außenministerium zitiert. Hintergrund des Streits ist, dass die stellvertretende türkische Parlamentspräsidentin Aysenur Bahcekapili von der Regierungspartei AKP Anfang Dezember wegen fehlender Papiere zeitweise am Flughafen Köln-Bonn festgehalten wurde.

Aus dem Auswärtigen Amt in Berlin hieß es, Botschafter Erdmann sei wegen eines «konsularischen Einzelfalls» zu einem Gespräch ins türkische Außenministerium gebeten worden. Türkische Medien und die Kölner Tageszeitung «Express» hatten zuvor berichtet, Erdmann sei ins Ministerium einbestellt worden. Eine förmliche Einbestellung wäre laut Diplomatensprache ein wesentlich schärferer Vorgang als eine Einladung.

In Ankara sagte Erdogan an die Adresse Deutschlands: «Ihr empfangt Terroristen als Gast in eurem Land. Aber die stellvertretende türkische Parlamentsvorsitzende dieses Landes und ihre Delegation lasst ihr dort stundenlang an der Tür warten.»

Die Bundespolizei Nordrhein-Westfalen bestätigte der Deutschen Presse-Agentur, dass Bahcekapili schon am 1. Dezember vom Flughafen Köln-Bonn aus in die Türkei ausreisen wollte. Sie habe nur vorläufige Papiere vorlegen können, aus denen aber kein Diplomatenstatus erkennbar war. Daher habe die Polizei Kontakt mit dem türkischen Generalkonsulat aufgenommen, um den Status zu überprüfen. «Der Vorgang hat maximal eine Dreiviertelstunde gedauert», sagte der Sprecher.

Nach Erdogans Worten war Bahcekapili bei ihrer Reise in Deutschland unter anderem der Pass gestohlen worden. Sie habe sich jedoch vorübergehende Papiere bei der Botschaft besorgt und sei trotzdem an der Ausreise gehindert worden. Erdogan forderte deshalb Schritte gegen das verantwortliche Flughafenpersonal. Andernfalls würden deutsche Abgeordnete in Zukunft «genauso behandelt».

Das Verhältnis zwischen Deutschland und der Türkei ist seit Monaten angespannt. Ursache dafür waren unter anderem die umstrittene «Schmähkritik» von TV-Moderator Jan Böhmermann an Erdogan und die Resolution des Bundestags, die die Massaker an den Armeniern im Osmanischen Reich vor 100 Jahren als «Völkermord» einstuft. Erdogans Politik nach dem gescheiterten Putsch in der Türkei sorgte zuletzt ebenfalls für Verstimmungen zwischen beiden Ländern.

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