Als Donald Trump vor ein paar Tagen die beiden Journalisten Kai Diekmann („Bild“) und Michael Gove („The Times“) zum Interview in seinem New Yorker Büro empfing, da war den Gästen auf dem vollgestellten Schreibtisch ein Buch aufgefallen: „Beautiful Country“, die Geschichte über einen Amerikaner, der in China aufwächst. Entgegen dem gängigen Vorurteil liest Donald Trump also doch Bücher. Und: Der nächste US-Präsident bildet sich fort. Denn die Erzählung ließe sich auch als eine Art „China für Einsteiger“ lesen. Offenbar will der US-Präsident nicht völlig unvorbereitet in den Kampf gegen seinen wohl größten als auch mächtigsten Gegner ziehen: China.

Donald Trump hat China auf dem Kieker

Hier in Europa sorgen eher Trumps absurde Twitter-Kleinkriege mit Gott und der Welt für Schlagzeilen. Oder seine verwegenen Pläne zum Bau einer Mauer an der mexikanischen Grenze. Oder sein permanenter Applaus über den EU-Austritt Großbritanniens. Oder die irritierenden Charmeattacken auf Russlands Präsident Wladimir Putin. Dabei geht oft unter, dass Trump, vor allen anderen Baustellen hauptsächlich China auf dem Kieker hat. Und das auch nicht erst seit Kurzem, wie sich an seinen zahllosen Reden, den Interviews und auf seinem Twitteraccount zeigt.

In den vergangenen sechs Jahren hat Donald Trump Hunderte von Tweets abgesetzt, in denen er das Reich der Mitte massiv angeht – wegen seiner Währungspolitik und militärischer Aufrüstung, wegen seines Ideendiebstahls und seiner Zollschranken, um nur ein paar Beispiele zu nennen. „China ist unser Feind. Sie wollen uns zerstören“, schrieb Trump etwa im Juli 2011. Vor einigen Tagen, auf seiner ersten Pressekonferenz seit der Wahl zum US-Präsidenten, versuchte Trump Russland angesichts der Hacking-Vorwürfe in Schutz zu nehmen. „Ich glaube, es war Russland“, räumte er ein, aber nicht ohne schnell hinterherzuschieben, dass auch andere Staaten in US-Systeme eindringen würden –  „vor allem China“.

Donald Trumps China-Phobie wirkt mittlerweile schon obsessiv. Die „New York Times“ merkt an, dass der neue US-Präsident kaum ein Wort häufiger benutzt als China. Die ständigen Drohgebärden von der amerikanischen Ostküste gehen auch an Peking nicht spurlos vorbei: Vor einigen Tagen erst sperrten die staatlichen Zensoren kurzerhand Trumps Twitteraccount.

Anders als Trump lobpreist China den Freihandel

Auch auf anderen Bühnen kommt es immer wieder zu interessanten Wendungen. Beim Weltwirtschaftsforum in Davos etwa war es kein Amerikaner, der eine flammende Lobesrede auf den weltweiten Freihandel und die Errungenschaften des Kapitalismus hielt, sondern der chinesische Staatschef Xi Jinping. Und es ist China, das massiv in regenerative Energien investiert und nicht die USA. Die Regierung in Washington ist nicht einmal im Amt und wirkt jetzt schon wie ein Überbleibsel aus der Zeit gefallener Saurier: Grenzen zu, Zölle hoch und ordentlich Öl fördern. Dank dieser „America-first“-Parolen ist Donald Trump zwar US-Präsident geworden, doch der einzige Weg, die Ankündigungen auch umzusetzen führt eben über China.

Trump, der stets mangelnde Fairness beklagt, stoßen hauptsächlich diese Dinge auf:

  •  China als Billigwerkbank: In den vergangen Jahrzehnten sind Millionen Fabrikjobs nach China abgewandert. Nicht nur aus den USA. Donald Trump aber hat versprochen, diese Jobs zurückzuholen. Das iPhone zum Beispiel, eines der bekanntesten amerikanischen Exportschlager der letzten Jahre, wird zwar in Kalifornien entwickelt, aber in China zusammengebaut. Im Wahlkampf hatte Trump Hersteller Apple wieder und wieder aufgefordert, die Produktion in die USA zu verlegen. „Ich werde Apple dazu bringen, ihre verdammten Computer und Dinge in diesem Land statt in anderen Ländern zu bauen“, sagte er vor einem Jahr. Ob Trump damit Erfolg haben wird, ist noch nicht absehbar, zumal die Preise für in den USA gefertigte Waren deutlich steigen würden. Beim iPhone gehen Experten von einer Verdoppelung aus.
  • China als Währungsmanipulator: Für Donald Trump ist klar, dass Peking den Wert des Renminbi künstlich niedrig hält, um die Arbeitskosten billig zu halten. Dadurch würde sich China einen unfairen Wettbewerbsvorteil auf dem globalen Markt verschaffen. Der Vorwurf trifft allerdings nicht zu. Die chinesische Zentralbank gibt gigantische Summen aus, um die Währung zu stützen und die Kapitalflucht aus dem Land einzudämmen. 
  • China als Zollkrieger: Unbeirrt der Tatsachen hat sich Donald Trump in die Behauptung versteift, China erhebe von den USA besonders hohe Zölle. Sein Rezept dagegen: Strafzölle von bis zu 45 Prozent gegen Produkte Made in China. Sollte der Neue im Weißen Haus diese Pläne wahr machen, würden Importe aus dem Reich der Mitte deutlich teurer werden und wohl einen Handelskrieg auslösen, der die schlappe Weltwirtschaft weiter lähmen würde. China hat als größter Gläubiger der USA (das Land ist im Besitz von US-Staatsanleihen im Wert von mehr einer Billion Dollar) zwar eine mächtige Waffe gegen Washington in der Hand, doch Präsident Xi Jinping scheint wenig gewillt, sich auf einen Handelskrieg mit der größten Volkswirtschaft der Welt einzulassen. Verständlicherweise. 

Wirtschaft ist nicht das einzige Problem

Doch Trumps Aversion gegen China hat auch politische Komponenten:

  • Da wäre etwa der schwelende Streit um das südchinesische Meer, auf das China Anspruch erhebt, in dem aber größtenteils Verbündete der USA angrenzen. Barack Obama hatte jüngst angekündigt, sich verstärkt in der Region zu engagieren. Mitte Dezember erst hatte das chinesische Militär dort eine US-Drohne beschlagnahmt – und auch damit Donald Trump, obwohl noch nicht im Amt, provoziert. Per Twitter ließ er wissen, dass dies ein beispielloser Vorgang sei, um nur wenig später mit dem Tweet zu irritieren: „Wir sollten China sagen, dass wir die Drohne nicht zurück wollen, die sie gestohlen haben – lasst sie sie behalten!“.
  • Da wäre die Sache mit Taiwan. Als einer der ersten Staatschefs telefonierte Taiwans Präsidentin Tsai Ing Wen mit Donald Trump nach seinem Wahlsieg. Es war ein diplomatischer Affront gegen China. Denn für Peking gehört die Insel zu China und bislang galt, dass die allermeisten Staaten Taiwan (zumindest offiziell) entsprechend nicht als souveränes Land behandeln. Donald Trump aber hat bereits deutlich gemacht, dass er sich nicht an diese so genannte Ein-China-Politik gebunden fühlt.
  • Da ist die Sache mit den neu erblühten russisch-chinesischen Beziehungen: Weil Moskau durch die Krim-Ukraine-Krise international zunehmend ins Abseits gerät, sucht Moskau die Nähe zu China. Im Sommer vergangenen Jahres vereinbarten beide Länder, den gegenseitigen Handel zu stärken. Und genau da versucht Donald Trump mit seinem Schmusekurs reinzugrätschen. Sein Ziel dürfte es sein, Russland in den Schoß der (westlichen) Gemeinschaft zurückzuholen, der dafür den neuen Partner China wieder fallen lässt.
  • Da ist die Sache mit den Hackerangriffen. China gilt als ganz besonders eifriger Cyberkrieger, vor allem in Sachen Industriespionage. Das ist allerdings ein Problem, das die meisten Chefs der Industrieländern umtreibt und nicht nur den neuen US-Präsidenten.

Donald Trump umgibt sich China-Falken

Für den Kampf gegen das Reich der Mitte hat sich Donald auch schon mit den entsprechenden Kämpfern verproviantiert: Er ist umgeben von China-Falken wie Edward Feulner, dem früheren Präsidenten der konservativen Heritage-Stiftung. Auch Stabschef Reince Priebus unterhält freundlichste Beziehungen zu Taiwan. Multilaterale Diplomatie und Barack Obamas Verständnis von Politik als Prozess haben in ihren Augen China nur den Weg geglättet, immer stärker und zu einer mindestens regionalen Supermacht zu werden. Statt Obamas „Hinwendung zu Asien“ wollen sie ein kraftvolleres Auftreten der USA in der Region. China, der Gigant, solle gefälligst in die Schranken gewiesen werden.

Und wie geht es nun weiter?

Und China selbst? Den Einschüchterungen aus Washington, beziehungsweise New York, versuchen chinesische Politiker und Unternehmer mäßigende Worte entgegenzusetzen. Denn Chinas Wirtschaft befindet sich im Umbau, die Konjunktur schwächelt und das letzte was das Reich der Mitte nun brauchen kann, wären weitere Handelshemmnisse wie Trumps Protektionismuspläne.  Allerdings, und das weiß auch Donald Trump: Sollte Peking beginnen, seine Schulden in den USA einzutreiben (zurzeit sind es 1,277 Billionen Dollar), steht die US-Regierung sehr schnell sehr alleine da. 

In Davos sagte Xi Jinping ein Handelskrieg kenne keine Gewinner. Und das chinesische Handelsministerium erklärte sich bereit, mit der neuen US-Regierung daran zu arbeiten, „Vorteile für Unternehmen und Verbraucher auf beiden Seiten“ zu schaffen. Vor einigen Tagen kündigte die Regierung an, dass Firmen aus anderen Ländern künftig in China an die Börse gehen können. Erlaubt soll es ausländischen Unternehmen werden, in bestimmten Branchen eigene Tochterfirmen im Land zu betreiben. Dann wären sie nicht mehr zur Gründung von Gemeinschaftsfirmen mit chinesischen Partnern gezwungen. Und möglicherweise kommt Donald Trump dem Erzfeind auch unfreiwillig entgegen. Sein Plan, sich aus dem Transpazifischen Freihandelsabkommen (TPP) zurückzuziehen, dürfte Peking gefallen. China kritisiert diesen Vertrag als einen Versuch, seinen Einfluss einzudämmen.

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