Kaum jemand hatte François Fillon bis vor wenigen Tagen auf der Rechnung. Doch bald wird ihn auch in Deutschland jeder kennen. Denn der ehemalige Premierminister, ein beinharter Wirtschaftsreformer im Kleid eines charmanten Gentlemans, ist ab sofort der große Favorit für die französischen Präsidentschaftswahlen im kommenden Frühjahr.
Am Sonntag gewann der 61-jährige Fillon die Vorwahlen seiner konservativen Partei Les Républicains überraschend klar. Nach Auszählung von etwa zwei Drittel der Wahlbüros fielen 43,5 Prozent der Stimmen auf Fillon. Sein härtester Verfolger, Ex-Premier Alain Juppé, lag weit abgeschlagen bei 27,4 Prozent der Stimmen. Ex-Präsident Nicolas Sarkozy, um den sich im Vorwahlkampf noch alles zu drehen schien, erhielt nur 22,1 Prozent der Stimmen. Am Abend gestand Sarkozy die Niederlage ein und kündigte seinen Rückzug aus der Politik an.
Das Ergebnis lässt beim zweiten Wahlgang in einer Woche ein leichtes Spiel für Fillon erwarten. Dann wird es vor allem darauf ankommen, wie sich die Stimmen von Sarkozy auf die beiden führenden Kandidaten Fillon und Juppé verteilen. Dabei dürften Sarkozys Anhänger klar zu Fillon tendieren, der im parteiinternen Spektrum deutlich rechts von Juppé steht.
Klare und ausgereifte Reformpläne
Ein Gegner Fillons brachte es auf den Punkt: „Das gab’s noch nie! Unsere Analysen lagen völlig falsch“, sagte Benoist Apparu, Sprecher des Juppé-Lagers, am Wahlabend. Tatsächlich waren bis vor wenigen Tagen alle Umfragen von einem Duell Juppé-Sarkozy im zweiten Wahlgang ausgegangen. Doch die drei Fernsehdebatten der letzten Wochen brachten die Wende zugunsten von Fillon, dessen wirtschaftliche Reformvorstellungen klar und ausgereift wirkten, während sich Juppé und Sarkozy um Identitäts- und Ausländerpolitik stritten.
„Die Franzosen wollen wirklich die so lange angekündigten Reformen und nur einer hat sie vorbereitet: Fillon“, sagte ein Fillon-Anhänger am Wahlabend dem Fernsehsender BFM TV. Andere erinnerten daran, dass Fillon schon als Premierminister unter Sarkozy in den Jahren 2007 bis 2012 sehr hohe Beliebtheitswerte genoss, wenngleich er immer im Schatten des hyperaktiven Sarkozy zu stehen schien.
Was ihm dieses Mal geholfen haben dürfte: Im Gegensatz zu dem mit Affären beladenen Sarkozy und dem vorbestraften Juppé wirkte Fillon wie eine durch und durch ehrliche Haut. Auch beschädigten sich Juppé und Sarkozy im Wahlkampf gegenseitig: Juppé, indem er Sarkozy in die rechtsextreme Ecke stellte. Sarkozy, indem er Juppé vorwarf, auf Wähler der Linken zu schielen. Es blieb am Ende also nur Fillon als wahrhaftige Inkarnation seiner Partei.
Vor der Schlacht mit Marine Le Pen
In Brüssel und Berlin aber dürfte ein Aufatmen durch die Ränge der Verantwortlichen gehen. Denn der Populismus hat bei dieser Wahl verloren. Ihm huldigte dieses Mal nur Sarkozy, der deutlich verlor. Fragt sich nur, ob der als Wahlkämpfer bisher wenig getestete Fillon für die ihm nun aller Wahrscheinlichkeit bevorstehende Schlacht mit der rechtsextremen Parteiführerin Marine Le Pen gewappnet ist.
Immerhin: Er war die meiste Zeit seines politischen Lebens strikt gegen jede Annäherung seiner Partei gegenüber den Rechtsextremisten. Sein Mentor war lange Zeit der ehemalige Präsident Jacques Chirac. Allerdings bevorzugte Fillon stets eine sehr eigenständige außenpolitische Haltung Frankreichs in alter gaullistischer Tradition. Im Zusammenhang mit dem Syrien-Konflikt trat er im Wahlkampf ohne Wenn und Aber für ein Bündnis mit Russland und Wladimir Putin ein.
Die Wahlbeteiligung bei den offenen Vorwahlen der Republikaner war mit über vier Millionen abgegebenen Stimmen ausgesprochen hoch. Sie entsprach etwa einem Zehntel aller Wahlberechtigten in Frankreich. Nie zuvor hatten so viele Franzosen an einer Vorwahl teilgenommen. Dieses Mal aber galt sie für viele aufgrund der Schwäche der Linksparteien als vorgezogene Präsidentschaftswahl.
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