Die Ereignisse überstürzen sich in Niger, doch eines ist in den vergangenen Wochen gleich geblieben: Die steten Parolen gegen Frankreich. Tausende Anhänger der Putschisten skandierten sie auch am Wochenende auf einer Jubelveranstaltung gegen die ehemalige Kolonialmacht.
„Nieder mit Frankreich“, stand auf ihren Bannern. Dieselben Worte fielen vor wenigen Wochen, als das Militär die Regierung stürzte und nigrische Bürgerinnen und Bürger vor der französischen Botschaft demonstrierten. Der zentralafrikanische Konflikt dreht sich eben nicht nur um die aktuelle Regierung, sondern hat auch viel mit Frankreichs Geschichte als jahrzehntelanger Kolonialherr zu tun.
Ein Ländertrio zeigt, wie tief die Spuren von Frankreichs einstiger Afrikapolitik sind: In Niger, Kolonie bis 1960, putscht das Militär gegen einen gewählten Präsidenten und die Militärregierungen in Mali und Burkina Faso unterstützen den Umsturz. Beide Staaten waren ebenfalls bis 1960 Kolonien Frankreichs. Alle drei Länder haben jahrzehntelang unter französischer Kontrolle und Ausbeutung gelebt und beschwören nun ein gemeinsames Feindbild. Und sie haben noch etwas gemein: ihre extreme Armut.
Deals zulasten der heimischen Bevölkerung
Frankreichs Kolonialpolitik setzte im 19. Jahrhundert ein. Bis 1960 wurde Niger ausgebeutet und bis heute von profitiert Frankreich von nigrischen Bodenschätzen: Der Zugriff auf das Uran – Nigers wichtigstes Exportgut – wird zu Dreivierteln vom Pariser Atomkonzern Orano kontrolliert. Uran ist der unerlässliche Brennstoff für 56 französische Atomkraftwerke, rund ein Fünftel stammt davon aus dem Niger. Ohne diesen Import müsste theoretisch ein Fünftel der französischen AKW dichtmachen. Erst vor wenigen Tagen versicherte der Staatskonzern Orano, seine „Aktivitäten weiterzuführen“.
Noch im Mai dieses Jahres ließ sich Orano zusichern, auch über 2028 hinaus die größten afrikanischen Uranminen abschöpfen zu können. Im Gegenzug verpflichtet sich der Pariser Konzern zu lächerlich anmutenden 40 Millionen Euro, die in „soziale Projekte“ fließen sollen. Ein Abkommen, das von vielen nigrischen Experten als ungerecht kritisiert worden ist. Schon bei früheren Geschäften mit Orano – vormals Areva – vermuteten sie, die damaligen Präsidenten hätten sich im Gegenzug Frankreichs politische Unterstützung gesichert.
Ganz offensichtlich profitiert Frankreich noch heute von seinem Ex-Kolonialstaat und dessen Bodenschätzen – das nigrische Volk hingegen kaum: Das Land mit dem existenziellen Brennstoff für die französischen Atomkraftwerke produziert selbst kaum Strom: Nur jeder fünfte Mensch kann eine Glühbirne anschalten oder das Internet nutzen. Nach Daten der Weltbank lebt fast die Hälfte der rund 30 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner in extremer Armut, 70 Prozent der Kinder unter 14 Jahren müssen arbeiten, die große Mehrheit kann weder lesen noch schreiben. Ähnlich verarmt sind die beiden anderen Ex-Kolonien Mali und Burkina Faso, die zudem einen Teil ihrer Goldschätze an Frankreich verloren haben.
Diese Deals zulasten der heimischen Bevölkerung sind es auch, die dem gerade abgesetzten Präsidenten zur Last gelegt werden. „Gerade die jungen Menschen werfen den Politikern des Landes vor, das Land auszurauben und es an Frankreich auszuliefern“, sagt die Historikerin und Niger-Expertin Camille Lefebvre.
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