Acht Tage nach der Absage kommt die Zusage: Donald Trump wird Kim Jong Un doch wie geplant am 12. Juni treffen. Der Wende geht ein bemerkenswerter Besuch von Kims Nummer Zwei im Weißen Haus voraus.
Im Moment, der der Klarheit dienen sollte, stiftete Donald Trump neue Verwirrung. Als der US-Präsident vor dem Weißen Haus verkündete, dass sein Gipfel mit Kim Jong Un trotz seiner Absage nun doch stattfinde, würdigte Trump einen „sehr netten“ und „sehr interessanten“ Brief, den er soeben von Kim erhalten habe. Jetzt könne es vorangehen mit dem Projekt Gipfeltreffen in Singapur.
Trump redete noch ein paar Minuten weiter, bis er schließlich sagte, er habe den Brief noch gar nicht geöffnet. „Ich lese ihn später“, sagte er. „Kann sein, dass mich eine große Überraschung erwartet, Leute“, scherzte Trump und hinterließ damit wieder einmal große Fragezeichen zu seiner unkonventionellen und bisweilen chaotischen Annäherung an Nordkorea.
Der Gipfel am 12. Juni in Singapur findet also (voraussichtlich) statt. Am vergangenen Donnerstag hatte Trump ihn abgesagt, per Brief an Kim, aber gleich darauf schon wieder Signale gesendet, man könne doch noch zueinanderfinden. Jetzt also ein zweiter Brief von Kim an Trump und der Termin steht wieder.
Nordkoreas Nummer Zwei im Oval Office
Trump verkündete die Nachrichten, nachdem er Kim Yong Chol empfangen hatte: Nordkoreas Nummer Zwei, die rechte Hand Kim Jong Uns. Kim Nummer Zwei leitete den Geheimdienst, ist in Nordkoreas Atomprogramm involviert und wird für zahlreiche Verbrechen verantwortlich gemacht. Er soll etwa einen Torpedoangriff auf eine südkoreanische Korvette im Jahr 2010 angeordnet haben, bei der 46 südkoreanische Soldaten starben.
Diesem Kim Yong Chol erwies Trump also im Weißen Haus die Ehre. Stabschef John Kelly und Sicherheitsberater John Bolton (für Nordkoreas Staatsmedien ein „Scheusal“) nahmen Kim um 13.12 Uhr Ortszeit in Empfang. Kelly geleitete ihn dann tatsächlich ins Oval Office.
Dort verbrachten Trump, Kelly und Außenminister Mike Pompeo etwa eine Stunde und 20 Minuten mit ihm – eine Zeit, die Trump später vor den Journalisten wahrheitswidrig auf zwei Stunden aufblähte.
„Dieser Mann hat schlimme Sachen getan“
Es war ein bemerkenswerter Besuch, eine Geste des Entgegenkommens, die in Washington auch sehr kritisch gesehen wurde. „Dieser Mann hat schlimme Sachen getan“, gab etwa Samantha Vinograd zu Protokoll, unter Trumps Vorgänger Barack Obama Sicherheitsberaterin. „Es besorgt mich, dass Trump ihm so viel Zeit gewährt hat.“
Mitch McConnell, Mehrheitsführer der Republikaner im Senat, appellierte an Trump, auf die Details zu achten.
Hinter diesen Äußerungen steht die Sorge, dass Trump das Gipfeltreffen will, dass er es ohne nordkoreanische Zusagen von wirklicher Tragweite abhalten könnte. Trumps Art der Diplomatie sorgt in Washington ohnehin für heftige Bauchschmerzen. Vor den Journalisten sagte Trump etwa, er habe mit Kims Nummer 2 gar nicht über Menschenrechte im Land gesprochen.
Das Unbehagen kreist vor allem um die zentrale Frage der Denuklearisierung. Trump sagte, er glaube, dass sich Kim Jong Un der Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel verpflichtet fühle. Zugleich dämpfte er die Erwartungen: Er betonte, dass das Treffen in Singapur nur der Auftakt zu weiteren Treffen sein könne. Er wolle dort keinerlei Vereinbarungen unterschreiben.
Die neue Sprachregelung deutet wohl auf den Umstand, dass die beiden Seiten weiterhin bei den Inhalten weit auseinanderliegen, vor allem bei der komplizierten Ausgestaltung dessen, was beide Seiten Denuklearisierung nennen. Im Prinzip bekennt sich Kim dazu, doch Kenner bezweifeln, dass der Nordkoreaner darunter dasselbe versteht wie Trump oder Pompeo.
Geheimbericht: Vernichtung von Nordkoreas Atomarsenal unrealistisch
Ein vertraulicher Bericht des Auslandsgeheimdienstes CIA, über den US-Medien in dieser Woche berichteten, kommt zu der Einschätzung, dass Trumps erklärtes Ziel bei den geplanten Verhandlungen nicht erreicht werden könne: die Vernichtung des nordkoreanischen Atomarsenals. Eher könne es darum gehen, das Atomprogramm wieder ein Stück weit zurückzufahren.
Doch mit diesen Details hat sich Trump zumindest öffentlich keine Sekunde beschäftigt. Nach seiner Erklärung zum Besuch von Nordkoreas Nummer Zwei und zum Gipfel sprach er noch ein paar Sätze zu den Handelskonflikten, die er diese Woche angezettelt hat, und dann ging es im Hubschrauber auch schon ins Wochenende. Ob er auf dem Flug zum Wochenendsitz Camp David dann den Brief von Kim Jong Un tatsächlich einmal gelesen hat, ist nicht überliefert.
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