Gesundheitsexperten blicken in einer Dokumentation des US-Senders CNN auf das Krisenmanagement von Präsident Trump in der Corona-Pandemie zurück. Seinen ramponierten Ruf können die Schilderungen nicht retten.

Vielleicht erinnern Sie sich: an diese entgleisten Gesichtszüge, die sichtliche Irritation zweier Fachleute, die zu Symbolbildern des ambitionslosen Corona-Krisenmanagements der Trump-Regierung werden sollten. 

Als der Immunologe Anthony Fauci seine Hand vors Gesicht schlug, nachdem der damalige US-Präsident Donald Trump in einer Pressekonferenz zum Coronavirus das Außenministerium (State Department) mit einem fragwürdigen Wortwitz zum „Deep State Department“ umtaufte und Verschwörungserzählungen weiterverbreitete…

Anthony Fauci reagiert irritiert auf eine Aussage des damaligen US-Präsidenten Donald Trump
© Alex Brandon/

… oder als Gesundheitsexpertin Dr. Deborah Birx ihren Blick in den blau-grauen Teppichboden des Briefing Rooms im Weißen Haus schob, während ihr Trump vor versammelter Presse den Vorschlag unterbreitete, man könne doch vielleicht auch Desinfektionsmittel als Vakzin gegen das Virus verabreichen.

Beide Szenen sind vor ungefähr einem Jahr entstanden, vieles hat sich seitdem verändert – doch die Irritation ist geblieben. „Ich denke immer noch jeden Tag daran“, sagt Birx im Rückblick auf jenen Moment, als Trump seine abenteuerliche Idee vortrug. Sie habe schlicht nicht gewusst, wie sie reagieren sollte.

Irritiert, mitunter sprachlos waren Birx und Fauci in jenen Tagen häufig, wie sie in einer Dokumentation des US-Senders CNN berichten. In „Covid War: The Pandemic Doctors Speak Out“ schildern sie und weitere Ärzte und Akteure, die der Corona-Arbeitsgruppe im Weißen Haus angehörten, unter welchen Widrigkeiten sie gegen die Ausbreitung des Virus kämpfen mussten. 

„Es war sehr unangenehm, sehr direkt und sehr schwierig anzuhören“

So erzählt die frühere Regierungsberaterin Birx von einem „sehr unangenehmen“ Telefonat mit Trump, der sie im vergangenen Sommer nach Interview-Äußerungen zur Gefahr durch das Coronavirus persönlich angerufen habe. „Es war sehr unangenehm, sehr direkt und sehr schwierig anzuhören“, sagte sie mit Blick auf seine Worte in dem Gespräch. Auf die Frage, ob sie bedroht worden sei, reagierte Birx nach kurzem Zögern ausweichend und wiederholte: „Ich würde sagen, es war eine sehr unangenehme Unterhaltung.“ Laut Birx sei der Anruf auf ein CNN-Interview gefolgt, bei dem sie vor den Gefahren durch die Pandemie gewarnt habe. „Das war eine sehr schwierige Zeit, weil alle im Weißen Haus verärgert waren über dieses Interview und die Deutlichkeit, mit der ich über die Epidemie gesprochen habe.“

PAID Corona-Lage in den USA im Frühjahr 2021 7.28h

Immer wieder waren Meinungsverschiedenheiten zwischen Trump, seiner Regierung und Experten der Runde offen zutage getreten. Trump hatte zu Beginn der Pandemie die von dem Virus ausgehende Gefahr geleugnet, später ohne wissenschaftliche Belege für bestimmte Medikamente oder Prozeduren als vermeintliche Wundermittel geworben und bis zuletzt erkennen lassen, dass er das Tragen von Masken eher lästig fand.

Die unheilvolle Gemengelage – mit besorgten Experten auf der einen Seite und einem sorglosen Präsidenten auf der anderen –, habe laut Fauci, der ebenfalls zur Arbeitsgruppe gehörte, ein skurriles Rollenspiel zur Folge gehabt. „Ich war der bad cop„, sagte er CNN, „sie war der good cop.“ So sei er von Trumps Gefolgsleuten oft als „Stinktier“ bezeichnet worden, weil er regelmäßig Kritik an vermeintlichen Erfolgsmeldungen äußerte. Birx hätte sich in einer „wesentlich schwierigeren Situation“ befunden, habe Missstände nicht so offen und vehement ansprechen können: „Sie hatte ihr Büro direkt hier im West Wing“, so Fauci, zumal er als Direktor der Seuchenbehörde National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID) größeren Rückhalt genossen habe. „Aber Junge, sie hat viel Gutes getan“, ergänzt Fauci. „Sie hat sich jeden Tag um 3 Uhr morgens aus dem Bett gerissen, um diese Zahlen (zur Covid-Pandemie, Anm. d. Red.) zusammenzustellen und sie täglich zu präsentieren.“ 

Mit insgesamt mehr als 549.000 Toten und rund 30,3 Millionen Infektionen geben die aktuellen Zahlen noch immer keinen Anlass zur Entwarnung. In absoluten Zahlen sind die USA das weltweit am stärksten von der Corona-Pandemie betroffene Land. Ein Umstand, für den die frühere Regierungsberaterin Birx Trump zumindest indirekt verantwortlich macht: Ihrer Ansicht nach hätten Tausende Tote durch ein beherzteres Ergreifen von Anti-Corona-Maßnahmen verhindert werden können. So könnten etwa 100.000 Tote in den USA auf die erste Welle der Pandemie zurückgeführt werden, so Birx. „Alle anderen hätten meiner Meinung nach erheblich verringert werden können“, sagt sie im Gespräch mit CNN.

Wenngleich der Rückblick starke Nerven abverlangt, gibt der Blick nach vorne Anlass zur Hoffnung: Nach 60 Tagen unter Präsident Joe Biden wurden in den USA bereits mehr als 100 Millionen Impfungen verabreicht, praktisch täglich werden neue Pieks-Rekorde aufgestellt. Am Sonntag wurden 507 Tote im Zusammenhang mit einer Corona-Infektion gemeldet, der Höchsstand von 4477 Toten am Tag wurde am 12. Januar registriert – wenige Tage, bevor Trump das Weiße Haus geräumt hat.

Quellen:  CNN, „The Hill“, „Newsweek“, „Business Insider“, mit Material der Nachrichtenagentur DPA

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