Von Georg Ismar und Gonzalo Ruiz Tovar, dpa
Gerüchte über Deal
Lima (dpa) – Der zu 25 Jahren Haft verurteilte Ex-Präsident Perus, Alberto Fujimori (79), ist zu Weihnachten überraschend von Staatschef Pedro Pablo Kuczynski begnadigt worden. Das teilte die Präsidialkanzlei in Lima mit.
Fujimori war 2007 unter anderem als Mitverantwortlicher für 25 Morde und zwei Entführungen während seiner Amtszeit (1990 bis 2000) zu 25 Jahren Haft verurteilt worden. Die Begnadigung erfolgte aus «humanitären Gründen». Der Ex-Präsident gilt als herzkrank. Er war am Samstag ins Krankenhaus gebracht worden. Seine Begnadigung 15 Jahre vor Haftende löste massive Proteste aus, von «Verrat» war die Rede.
Der Sohn von nach Peru emigrierten japanischen Eltern machte sich laut Justiz schwerer Menschenrechtsverletzungen schuldig, auch Korruption wurde ihm zur Last gelegt. Er ließ Sicherheitskräfte rigoros gegen linke und angebliche subversive Kräfte vorgehen, das Parlament wurde entmachtet. In der Zeit sah sich der Staat durch die Terrororganisation «Leuchtender Pfad» massiv bedroht. Zudem wurden Zehntausende indigene Frauen zwangssterilisiert, um ihre Kinderzahl zu reduzieren, sie wurden als Entwicklungshemmnis für Peru gesehen.
In Lima kam es trotz Weihnachten umgehend zu Protesten auf den Straßen. Rosa Rojas, die Mutter eines Jungen, der bei einem Fujimori zur Last gelegten Massaker starb, rief mit tränenerstickter Stimme vor dem Haus von Präsident Kuczynski: «Ich kann meinen Jungen nicht vergessen, gerade nicht heute an Weihnachten». Und fügte hinzu: «Herr Kuczynski, das ist nicht gerecht». In sozialem Medien entlud sich Zorn über den wie Fujimori 79 Jahre alten Sohn eines vor den Nazis nach Peru geflüchteten deutschen Tropenarztes. Denn die Begnadigung kommt zu einem brisanten Zeitpunkt, von einem «Deal» ist die Rede.
Mehre Abgeordnete drohten mit dem Verlassen der Regierungskoalition. Noch vor wenigen Tagen demonstrierten die Menschen für Kuczynski, da er auf Betreiben der stärksten Oppositionspartei, der von Fujimoris Tochter Keiko geführten Fuerza Popular (FP) des Amtes enthoben werden sollte. Die Rechtspopulistin hatte die Stichwahl 2016 gegen den liberalen Kuczynski verloren, der nach seinen Initialen «PPK» genannt wird. Er warnte eindringlich vor einem Putsch gegen die Demokratie.
Dem Präsidenten wurde eine Verwicklung in den Korruptionsskandal um den brasilianischen Baukonzern Odebrecht vorgeworfen. Seine Beratungsfirma Westfield Capital soll von 2004 bis 2006 Zahlungen in Höhe von 782 000 US-Dollar von Odebrecht erhalten haben, als er Minister im Kabinett von Präsident Alejandro Toledo war. Er und Odebrecht betonten die Rechtmäßigkeit, es sei um konkrete Leistungen und nicht um Schmiergeld gegangen. Zudem sagte Kuczynski, dass er damals gar nicht für die Firma verantwortlich gewesen sei.
Die Absetzung Kuczynskis galt eigentlich als sicher. Dann stimmten plötzlich nur 78 Abgeordnete am Donnerstagabend nach 14-stündiger Debatte dafür – das waren neun Stimmen weniger als benötigt. Zur Schlüsselfigur wurde ein anderes Kind des inhaftierten Fujimori. Sohn Kenji steht seinem Vater wesentlich näher als die FP-Chefin Keiko. Er und neun weitere Abgeordnete der Fujimori-Partei enthielten sich – anders als erwartet. Angeblich soll im Gegenzug die Freilassung des Vaters zugesichert worden sein.
Kuczynski kann nun seine Amtszeit bis 2021 weiterführen. Er studierte unter anderem in Princeton und Oxford, in den 1960er Jahren war er auch für die Weltbank tätig. «PPK» setzt stark auf Freihandel und Öffnung, gerade mit Europa und dem pazifischen Raum. Mitte Januar 2018 wird Papst Franziskus in Peru erwartet. Doch die Begnadigung von Alberto Fujimori könnte nun zu einer massiven Protestwelle gegen «PPK» führen. Die Verfassung erlaubte in solchen Fällen eine Begnadigung nur bei schweren gesundheitlichen Problemen.
Kenji Fujimori teilte bei Twitter mit: «Ich möchte im Namen der Familie Fujimori dem Präsidenten Kuczynski für die noble und große Geste danken.» Trotz der Konflikte mit ihrem Bruder wegen der gescheiterten Absetzung begrüßte auch Keiko Fujimori die Entscheidung. «Heute ist ein großer Tag für meine Familie», sagte sie. «Das ist eine Weihnacht der Hoffnung und Freude.» Die Familie prägt seit Jahrzehnten die Politik des Andenstaates.
Während der Amtszeit des Vorgängers von Kuczynski, Ollanta Humala, war eine Begnadigung mehrfach abgelehnt worden, da Ärzte zu dem Ergebnis kamen, dass Krankheiten wie Bluthochdruck und Depression auch in der Haft behandelt werden könnten. Fujimori war 2005 in Chile festgenommen und dann schließlich 2007 nach Peru ausgeliefert worden.
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