Polens Präsident Andrzej Duda hat sich überraschend gegen die Pläne der Regierung zur Gerichtsreform gestellt. Der Staatschef verlangte am Dienstag unerwartet eine Überarbeitung des kürzlich verabschiedeten Gesetzes, mit dem die nationalkonservative Regierung ihren Einfluss auf die Besetzung von Richterstellen massiv ausweiten will.

Präsident Duda erläuterte seine Bedenken im polnischen Fernsehen. Das Gesetz wirke in der jetzigen Form „wie ein politisches Diktat“ bei der Richterbesetzung, sagte er. Der Richterrat dürfe nicht „einer einzigen Partei, einer einzigen Gruppierung unterworfen werden“, sagte er. „Das ist nicht zulässig.“ Er drohte damit, auch die geplante Reform des Obersten Gerichts zu blockieren.

Das Gesetz sieht vor, dass das Parlament künftig darüber entscheiden soll, wer in den Landesrichterrat kommt. Das Parlament wird von der rechten Regierungspartei PiS dominiert, aus deren Lager auch Präsident Duda kommt. Dem bislang als unabhängig geltenden Rat obliegt wiederum die Besetzung der Richterposten an den ordentlichen Gerichten im Land.

Duda kündigt Blockade an

Als Kompromiss schlug er vor, die Mitglieder des Landesrichterrats künftig mit einer 60-Prozent-Mehrheit vom Parlament wählen zu lassen. Damit wäre die PiS für ihre Personalvorschläge auch auf Stimmen anderer Parteien angewiesen. Das Gesetz war bereits vergangene Woche im Parlament verabschiedet worden, kann ohne Dudas Unterschrift aber nicht in Kraft treten.

Ministerpräsidentin Beata Szydlo ließ am Abend keine Bereitschaft zum Einlenken erkennen. Die Partei werde „die Reformen ganz zu Ende bringen“, sagte sie vor Abgeordneten. Dass Präsident Duda sich jetzt gegen die Regierung stellt, ist ein Novum. Eigentlich zählt er zum politischen Lager der PiS. Deren umstrittene Projekte hat er bislang in der Regel mitgetragen.

Duda kündigte an, auch die von der Regierung angestrebte Neuordnung des Obersten Gerichts zu blockieren, wenn das Gesetz zum Landesrichterrat nicht geändert werde. Die Regierung strebt an, das Oberste Gericht vollständig unter die Kontrolle des PiS-Justizministers zu stellen. Die Opposition betrachtet diese Pläne als „Ankündigung eines Staatsstreichs“.

Sorge um Demokratie und Rechtsstaat in Polen wächst

In mehreren polnischen Städten gingen am Abend erneut tausende Menschen auf die Straßen, um für den Erhalt der Rechtsstaatlichkeit zu demonstrieren. Mit Kerzen in der Hand formierten sie sich in Warschau zu einer Lichterkette und forderten Andrzej Duda auf, die Pläne der Regierung mit einem Veto zu stoppen. „Freie Gerichte, wir wollen ein Veto!“, skandierten sie.

Auch außerhalb Polens wächst die Sorge um den Bestand von Demokratie und Rechtsstaat in Polen. Europäische Politiker und Institutionen forderten die Regierung in Warschau am Dienstag eindringlich zum Verzicht auf die Gesetzesvorhaben auf, welche die Unabhängigkeit der Justiz in Frage stellen.

Europarats-Präsident Thorbjörn Jagland forderte von Polen Respekt für die europäischen Justiznormen. Er erinnerte daran, dass Polen als Mitglied des Europarats dessen Prinzipien folgen müsse. „Eine effiziente, unparteiische und unabhängige Justiz ist das Fundament jedes Systems demokratischer Kontrolle“, erklärte Jagland.

Der Menschenrechtskommissar des Europarats, Nils Muiznieks, bezeichnete den Entwurf als weiteren Beleg „für eine beunruhigende Tendenz hin zum Autoritarismus“ in Polen. „Das Vorhaben der polnischen Regierung zielt darauf ab, die Justiz unter ihre Kontrolle zu bringen.“

Vor dem Obersten Gerichtshof in Warschau hatte am Sonntag eine Richtervereinigung demonstriert. Nach Angaben der Stadtverwaltung nahmen an dem Protest 17.000 Menschen teil. Sie hielten Kerzen in den Händen und sprachen sich für „freie Gerichte“ aus. Proteste gab es am Sonntag auch in anderen polnischen Städten, darunter Krakau, Stettin und Breslau.

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