Trotz Sanktionsdrohungen

Warschau (dpa) – Polens Regierung hat ihre umstrittene Justizreform trotz Sanktionsdrohungen der EU-Kommission vorangetrieben. Nach einer nächtlichen Überarbeitung im Ausschuss nahm das Parlament den nachgebesserten Gesetzentwurf zur Neuordnung des Obersten Gerichts an.

Die Reform der mit absoluter Mehrheit regierenden Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) stellt nach Ansicht von Kritikern eine Gefahr für die Unabhängigkeit von Polens Justiz dar.

Sorgen bereitet ihnen auch die bereits vom Senat gebilligte Änderung bei der Zusammensetzung des Landesrichterrats (KRS), eines Verfassungsorgans zur Wahrung der Unabhängigkeit der Justiz. Opposition und Kommission fürchten eine Einflussnahme der Regierenden auf Richter und Gerichte. Dem nun nachgebesserten Gesetz zum Obersten Gericht müssen noch der Senat, in dem die Nationalkonservativen ebenfalls die Mehrheit haben, sowie Präsident Andrzej Duda zustimmen.

Nach Kritik der EU-Kommission nahm das Parlament zwar kurzfristig Änderungen an den Gesetzen vor, die Sorge um die Wahrung der Gewaltenteilung in dem Land aber bleibt.

Die Reform des Landesrichterrats verstoße gegen die Verfassung, kritisierte Waldemar Zurek, Sprecher des KRS-Gremiums, dessen Richter 30 Tage nach Inkrafttreten der Novelle entlassen werden sollen. Nach einer Intervention Dudas sollen ihre Nachfolger mit einer 60-Prozent-Mehrheit des Parlaments bestimmt werden, die die PiS allein nicht aufbringen kann. Dadurch sei der ursprünglich beabsichtige Regierungseinfluss zwar abgeschwächt worden, bleibe aber immer noch zu groß, kritisierte Zurek.

Die Warschauer Regierenden wollen auch die Richter des Obersten Gerichts in den Ruhestand schicken – wer bleiben darf, soll nun statt des Justizministers der Präsident bestimmen. Allerdings gilt Duda als Kandidat der Nationalkonservativen, die seine Präsidentschaftswahl unterstützen. Experten warnten vor den möglichen «beunruhigenden» Konsequenzen der Reform. Das Oberste Gericht habe mitunter die Kompetenz, Wahlen für ungültig zu erklären, teilte die Warschauer Denkfabrik Institut Spraw Publicznych ISP mit.

Die EU-Kommission hatte Polen am Mittwoch aufgefordert, die Gesetzesarbeiten sofort zu stoppen und gedroht, ein Verfahren nach Artikel 7 des EU-Vertrages einzuleiten. Dieser sieht bei «schwerwiegender und anhaltender Verletzung» der im Vertrag verankerten Werte als schwerste Sanktion eine Aussetzung der Stimmrechte des Mitgliedstaates vor. Polens Außenministerium wies die Kritik als «voreilig» und «ungerechtfertigt» zurück.

Die Regierenden argumentieren: Die neuen Gesetze dienten den Bürgern, denn Polens Justiz sei seit dem Ende des Kommunismus 1989 nicht reformiert worden und korrupt. Auf der Webseite des Sejm wurde zudem die Rechtmäßigkeit des Vorgehens betont. Auch in anderen EU-Ländern wie Deutschland oder Spanien hätten Justizminister oder Regierung Einfluss auf die Berufung von Richtern. Man wolle sich die Gerichte nicht unterstellen, wehrten sie sich. Dem widerspricht die Opposition. Auch Bürger sind um die Demokratie Polens besorgt: Seit Tagen gibt es Proteste vor dem Warschauer Sejm und Präsidentenpalast.

Die EU-Kommission führt bereits seit rund eineinhalb Jahren ein Rechtsstaatsverfahren gegen Polen. Sie wirft der Regierung in Warschau vor, die Funktion des Gerichts eingeschränkt zu haben.

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