Was unverständlich ist: Wie kann jemand, der keine Ahnung von Politik hat, der Mexikaner pauschal als Vergewaltiger beleidigt, der sich lustig macht über Menschen mit Behinderungen, der Muslime nicht mehr ins Land lassen will, der sich rühmt, Frauen in den Schritt zu fassen und jede zu kriegen, weil er so reich und berühmt ist, der Steuern hinterzogen hat und als Milliardär so tut, den „kleinen Mann“ zu vertreten, der Folter für ein legitimes Mittel der Politik hält, der für die Waffenlobby steht, der vom Ku-Klux-Klan unterstützt wird, der Journalisten „Lügner“ nennt, der seine politischen Gegner ins Gefängnis werfen lassen will, der Mauern und Zäune bauen will, der das Wahlergebnis anzweifeln wollte, hätte er verloren, der durch und durch rassistisch, fremdenfeindlich, sexistisch und menschenverachtend ist, wie kann so jemand US-Präsident werden? Wie kann man ihm all diese Worte durchgehen lassen, ihn sogar dafür belohnen, indem man ihn wählt?
Ach so, das war alles nur so dahingesagt, im Eifer des Wahlkampfs, wie manche jetzt argumentieren. Als Präsident werde er viel gemäßigter auftreten, so wie bei seiner ersten Rede am Abend seines Wahlsieges. Da sprach er plötzlich davon, Präsident aller Amerikaner zu sein. Keine Spur mehr von der Großmäuligkeit der vergangenen Monate. Also alles gar nicht so schlimm?
Trump hat das politische Klima vergiftet
Doch. Denn Trump mag es nicht so gemeint haben, vielleicht war alles nur eine Show, aber viele seiner Anhänger nehmen ihn beim Wort. Sie werden sich künftig erst recht nichts dabei denken, wenn sie Menschen, die sie für Muslime, Mexikaner oder sonst irgendwie fremd halten, beschimpfen und ihnen an den Kopf werfen, sie sollten doch „dahin gehen, wo sie herkommen“. Sie werden erst recht glauben, dass sie ihren Willen durchsetzen dürfen – wenn es sein muss, auch mit anderen als demokratischen Mitteln. Sie werden sich noch mehr Waffen besorgen. Sie werden Rassismus für eine normale Umgangsform und sexistisches Verhalten für Romantik halten.
Trump hat das politische Klima vergiftet. Er hat jene Grundstimmung geschaffen, für die ihn Populisten in aller Welt bewundern. Le Pen, Wilders, Orban, die AfD, selbst die islamistische AKP, die in ihrer autoritären Verblendung gar nicht kapiert, dass Trump für all das steht, was die AKP hasst, sie alle feiern Trump und haben nun Oberwasser.
Populisten, ob rechts oder links, islamistisch oder christlich, bringen zum Teil durchaus berechtigte Kritik vor. Wenn die AfD im Zusammenhang mit dem Islam von „Faschismus“ spricht, hat sie ja nicht unrecht – wer wollte behaupten, die Ideologie der Terrormiliz „Islamischer Staat“, aber auch anderer extremistischer Gruppen wäre nicht faschistisch? Aber sie tun es auf eine Art und Weise, die jeden Dialog unmöglich machen. Sie tun es, indem sie pauschalisieren, stigmatisieren und ganze gesellschaftliche Gruppen ausgrenzen, immer nahe an der Grenze zur Gewalt. Und ihre Anhänger überschreiten diese Grenze regelmäßig.
Populisten sind keine Demokraten
Vor allem aus diesem Grund brauchen wir eine neue politische Debattenkultur. Mehr Differenzierung, in die Tiefe gehende Information, kulturellen Austausch, Dialog. Wir müssen Populisten bekämpfen und dürfen nach dem Wahlergebnis in den USA nicht dem Irrglauben verfallen, ihre Art des Diskurses sei akzeptabel. Populisten sind keine Demokraten, auch wenn sie immer dann, wenn es ihnen passt, auf Meinungsfreiheit pochen. Und sich auf Wahlen freuen, weil das dann eine „Abrechnung“ werde mit dem „System“.
Auch Trump will ein anderes, ein neues System. Vielleicht wird er, man mag es heute nicht für möglich halten, doch ein guter Präsident. Aber seine Anhänger glauben, einen Freibrief für verbale und auch physische Gewalt zu haben, dank seiner Worte im Wahlkampf. Und diese Haltung, diese Taten müssen wir Demokraten politisch bekämpfen. In jeder Debatte, in jedem Gespräch. Tun wir es nicht, ist unsere Demokratie wirklich in Gefahr.
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