Frankreich trauert um «Helden»

Carcassonne/Paris (dpa) – Nach dem Tod eines Polizisten, der sich beim islamistischen Terroranschlag am Freitag gegen Geiseln hatte eintauschen lassen, herrscht in Frankreich große Trauer.

«Indem er sein Leben gegeben hat, um die mörderische Eskapade eines dschihadistischen Terroristen zu stoppen, ist er als Held gefallen», sagte der französische Präsident Emmanuel Macron. Innenminister Gérard Collomb twitterte: «Frankreich wird niemals sein Heldentum, seine Tapferkeit und sein Opfer vergessen.»

Der 45-jährige
Arnaud Beltrame, der bei dem Terrorangriff in Südfrankreich am Freitag schwer verletzt worden war, starb in der Nacht zum Samstag. Er hatte sich bei der Geiselnahme in einem Supermarkt im kleinen Ort Trèbes freiwillig in die Gewalt des Täters – der dort zuvor schon zwei Menschen getötet hatte – begeben.

Die Gendarmerie erläuterte auf Anfrage, der Mann habe sich bei Verhandlungen mit dem Täter gegen eine Geisel eintauschen lassen. Unklar sei noch, ob die anderen Geiseln zum gleichen Zeitpunkt gehen konnten oder möglicherweise schon kurz vorher – jedenfalls war der Polizist am Ende alleine mit dem Täter im Supermarkt. Er habe sein Leben für die Freiheit der Geiseln gegeben, twitterte die Gendarmerie.

Der Beamte hatte laut Collomb sein Telefon mit einer offenen Verbindung auf einem Tisch liegen lassen. So hätten die Einsatzkräfte hören können, was sich im Supermarkt abgespielt habe. Der Mann wurde lebensgefährlich verletzt, als der Angreifer unter noch nicht ganz geklärten Umständen auf ihn schoss – daraufhin stürmte die Polizei das Gebäude und erschoss den Terroristen Radouane L. Auch zwei weitere Beamte wurden bei dem Zugriff verletzt.

Bei einer Hausdurchsuchung fanden Ermittler erste Hinweise auf die Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Dabei handelt es sich um digitale Datenträger und handschriftliche Aussagen mit Anspielungen auf den IS, wie der Deutschen Presse-Agentur in Paris aus Justizkreisen bestätigt wurde. Das Geschriebene würde an ein Testament erinnern.

Der 25-jährige Attentäter Radouane L. hatte bei mehreren Attacken in der Region Carcassonne auf Menschen geschossen. Mit dem Tod von Beltrame stieg die Anzahl der von ihm getöteten Menschen auf vier. Der Angreifer hatte sich selbst als «Soldat» des IS bezeichnet. Die Terrormiliz hatte die Taten anschließend für sich reklamiert.

Die Ermittler wollen nun die Hintergründe aufklären – insbesondere, ob der Angreifer Mitwisser oder Unterstützer hatte. Auch die Herkunft seiner Waffe soll untersucht werden. Eine Frau aus dem Umfeld des Täters sowie ein minderjähriger Freund von Radouane L. wurden in Polizeigewahrsam genommen.

Der Angreifer hatte Vorstrafen wegen kleinerer Delikte, auch eine kurze Haftstrafe saß er ab. Die Behörden hatten ihn aber auch seit Jahren wegen möglicher Radikalisierung in einer Datenbank erfasst. 2016 und 2017 wurde er deshalb sogar überprüft – in welcher Form, war zunächst nicht bekannt. Anti-Terror-Staatsanwalt François Molins sagte, dabei hätten sich keine Anzeichen für die Vermutung ergeben, dass der Mann zu einer Terrortat schreiten könnte.

Vor der Supermarkt-Attacke hatte der Mann einige Kilometer entfernt in Carcassonne bereits einen Menschen getötet und einen weiteren schwer verletzt. Anschließend schoss er auf Bereitschaftspolizisten, die gerade vom Joggen in ihre Kaserne zurückkamen, und verletzte einen von ihnen an der Schulter. Danach fuhr er nach Trèbes und betrat den Supermarkt.

Staatspräsident Macron versprach den Franzosen seine «absolute Entschlossenheit» für den Kampf gegen den Terrorismus. Frankreich war in den vergangenen Jahren
mehrfach Ziel islamistischer Anschläge. Vor allem die schweren Attacken von Paris 2015 und Nizza 2016 hatten das Land schwer erschüttert.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mahnte nach dem Terroranschlag die Geschlossenheit aller demokratischen Kräfte an. «Der Täter hat uns mit diesen Verbrechen einmal mehr vor Augen geführt, dass wir als Demokraten zusammenstehen, unsere offenen Gesellschaften aktiv verteidigen und die gemeinsamen Anstrengungen zur Terrorabwehr noch intensiver fortführen müssen», schrieb Steinmeier nach Angaben des Bundespräsidialamts in einem Kondolenztelegramm an Macron. «Ich verurteile diese menschenverachtenden Taten auf das Schärfste.»

In den vergangenen Monaten war es in Frankreich ruhig geblieben, auch wenn die Behörden regelmäßig vor einer anhaltend hohen Terrorgefahr warnen. Zuletzt hatte im Oktober 2017 ein Angreifer in Marseille zwei Frauen erstochen, auch damals hatte der IS die Tat für sich reklamiert.

Macron sagte, die terroristische Bedrohung komme inzwischen vor allem von innen – von Menschen, die sich selbst radikalisiert hätten. Frankreich befinde sich aber nicht mehr in einer solchen Lage wie noch vor zwei oder drei Jahren, als Anschläge in Frankreich vom irakisch-syrischen Kriegsgebiet aus gesteuert worden seien. Dies war nach Darstellung der Ermittler bei den Pariser Terroranschlägen vom 13. November 2015 der Fall.

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