Zwar ist es ein überaus unwahrscheinliches Szenario, aber theoretisch besteht noch eine Chance, dass Donald Trump der Weg ins Weiße Haus verwehrt wird: Der Grund hierfür liegt im US-Wahlsystem. In den Vereinigten Staaten wird der Präsident nicht direkt vom Volk gewählt, sondern über den Umweg eines Wahlmännerkollegiums (Electoral College). Dieses Kollegium umfasst insgesamt 538 Personen, die je nach Bevölkerungsgröße über die einzelnen Bundesstaaten verteilt sind. Da in den allermeisten das Prinzip „Winner-Takes-It-All“ gilt, bekommt man bei einem Sieg alle Wahlmänner aus diesem Staat zugesprochen. Das hat zum einen den Effekt, dass Trump deutlich mehr Wahlmänner auf seiner Seite hat, obwohl Hillary Clinton rund 300.000 Stimmen mehr bekam. Zum anderen gibt es aber auch die Besonderheit, dass die Wahlmänner laut Verfassung bei der Wahl am 19. Dezember nicht zwingend an das Ergebnis der Wahl vom 8. November gebunden sind. 

Enthaltung für Trump, nicht gleich Stimme für Clinton

Wahlmänner, die sich nicht an das Votum ihres Bundesstaates hielten, würden zu sogenannten „Faithless Electors“, also zu treulosen oder abtrünnigen Wahlmännern. Der Grund hierfür könnte beispielsweise sein, dass ein Wahlmann es partout nicht mit seinem Gewissen vereinbaren kann, für einen bestimmten Kandidaten zu stimmen. Dass Wahlmänner jedoch nicht nach dem Willen ihres Bundesstaates abstimmen, kommt nur überaus selten vor. Laut US-Nationalarchiv haben mehr als 99 Prozent aller Wahlmänner in der US-Geschichte so abgestimmt, wie es sich die Bevölkerung wünschte.

In einigen US-Staaten ist es den Wahlmännern zudem verboten, gegen den Willen ihres Wahlbezirks zu stimmen. Im Bundestaat Oklahoma beispielsweise, drohen einem „Faithless Elector“ eine Geldstrafe von 1000 Dollar. Laut US-Nationalarchiv können solche Wahlmänner, je nach Rechtslage in ihrem Bundesstaat auch von ihrer Aufgabe entbunden und durch eine andere Person ersetzt werden, so beispielsweise in Michigan oder South Carolina. Ein weiterer Faktor, der es überaus unwahrscheinlich macht, dass ein Wahlmann abtrünnig wird, ist, dass Wahlmänner sich auch mit einem Versprechen gegenüber ihrer Partei verpflichtet haben. In den meisten Fällen bekleiden Wahlmänner Führungspositionen in ihren Parteien, oder sie sind nach Jahren loyaler Parteiarbeit ausgewählt worden.

Und selbst wenn sich ein oder gar zwei Wahlmänner dafür entscheiden würden, nicht dem Willen des Volkes zu folgen, würde dies bei Weitem nicht ausreichen, um Hillary Clinton ins Weiße Haus zu bringen – oder Trump als Präsidenten zu verhindern. Dazu bräuchte es mehr als 20 Wahlmänner, die anstatt für Trump für Clinton stimmen müssten. Es bedeutet nämlich nicht, dass die Stimme eines Wahlmannes, der nicht Trump wählt, automatisch an Clinton geht. Dennoch scheint es viele Menschen zu geben, die sich wünschen, dass Wahlmänner nicht für Trump stimmen. Auf der Web-Plattform „Change.org“, wurde eine Petition gestartet, die genau das fordert. Über 2,1 Millionen Unterstützer haben sich schon gefunden.

157 abtrünnige Wahlmänner in der US-Geschichte

Laut der gemeinnützigen Organisation „Fairvote.org“ gab es in der 240 jährigen Geschichte der USA insgesamt 157 abtrünnige Wahlmänner. Fast die Hälfte von ihnen änderte ihre Stimme, weil der Präsidentschaftskandidat noch vor der Abstimmung im Wahlmännerkollegium verstorben war. Nur 82 Wahlmänner entschieden sich aufgrund von persönlichen Präferenzen oder ihrem Gewissen um. Drei Wahlmänner haben sich in der US-Geschichte bis jetzt enthalten. Nie zuvor hat ein Wahlmann jedoch das Endresultat einer Präsidentschaftswahl verändert.

Sollte es wider Erwarten dennoch dazu kommen, dass per Votum an Trump gebundene Wahlmänner reihenweise für Clinton stimmen und es deshalb zu einem Konflikt innerhalb des Wahlmännerkollegiums käme, beispielsweise indem ein Gleichstand entsteht, existieren noch weitere Kontrollmechanismen. Der wohl wichtigste ist im 12. Zusatzartikel der US-Verfassung verankert. Demnach entscheidet in so einem Fall das US-Repräsentantenhaus darüber, wer der nächste US-Präsident werden würde. Jeder Abgeordnete würde dann eine Stimme für seinen Kandidaten abgeben. Der Kandidat mit den meisten Stimmen gewinnt. Das Repräsentantenhaus befindet sich nach der Wahl jedoch ebenfalls fest in republikanischer Hand, weshalb auch in so einem Fall Donald Trump mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Präsident werden würde. 

Alexander Hamilton, ein Gründervater der Vereinigten Staaten, schrieb in einem Artikel der Teil der berühmten „Federalist Papers“ ist, dass sich der Wahlprozess eine „moralische Sicherheit“ vorbehalte, „dass das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten niemals in die Hände eines Mannes falle, der nicht in bedeutendem Maße über die nötigen Qualifikationen verfügt“. In Anbetracht des Umstandes, dass Donald Trump niemals ein politisches Amt innehatte, ist es heute mehr als zweifelhaft, ob das Wahlergebnis für Gründervater Hamilton legitim gewesen wäre. Ganz abgesehen von seinen persönlichen politischen Präferenzen.

Auch Obama hielt Trump für nicht qualifiziert

Und wie der erbitterte US-Wahlkampf gezeigt hat: Wenn jemand für noch einen Skandal gut ist, dann Donald Trump. Bei kaum einem Kandidaten der jüngsten Geschichte wurden von so vielen Seiten Zweifel laut, ob er für das mächtigste Amt der Welt qualifiziert ist. Diese Meinung teilt allen voran auch der amtierende Präsident Barack Obama – zumindest während des Wahlkampfes. Die Töne beim ersten Treffen der beiden im Weißen Haus waren da deutlich versöhnlicher.

Dazu beigetragen hat sicher auch der Umstand, dass laut „USA Today“ derzeit mindestens 76 Gerichtsverfahren mit Beteiligung des designierten 45. US-Präsidenten laufen. In 20 Fällen ist er dabei als Beschuldigter gelistet. Zwar hätten laut US-Nachrichtenseite „Daily Beast“ viele der Klagen keine Aussicht auf Erfolg, da es sich um haltlose Beschuldigungen handeln, wie etwa die, dass Trump ein Mitglied des Geheimbundes der Illuminaten sei. Ähnliche Prozesse laufen auch gegen Clinton oder Obama.

Ernster wird es allerdings in jenen Verfahren wie beispielsweise dem um die „Trump University“. Hier wird dem Immobilienmogul vorgeworfen, er habe seine Geschäftspartner über den Tisch gezogen. Im Dezember muss Trump zudem wegen einer angeblichen Vergewaltigung einer 13-Jährigen vor Gericht erscheinen, die sich in den 90er-Jahren ereignet haben soll. Der Fall gilt als sehr undurchsichtig. Ob an den Vorwürfen etwas dran ist, wird sich also noch zeigen. Fest steht: Der US-Präsident genießt generell keine Immunität bei Taten, die in keinem Zusammenhang mit seinem Amt stehen. Das wird auch für Donald Trump gelten.

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