Die mexikanischen Behörden machen Nachrichten in den sozialen Medien mitverantwortlich für Plünderungen und Proteste gegen höhere Benzinpreise, bei denen in den vergangenen Tagen mehrere Menschen ums Leben kamen. Das berichtet die Zeitung „El Universal“ unter Berufung auf Juan Carlos Montesinos, den Chef einer Einheit zur Bekämpfung von Cyberkriminalität in Mexiko-Stadt. Über 205 miteinander verbundene Twitter-Konten seien gezielt Chaos und Panik geschürt worden.
Bei landesweiten Protesten gegen die Erhöhung der Benzinpreise kamen Medienberichten zufolge seit Sonntag bis zu sechs Menschen ums Leben. In Mexiko-Stadt war die Lage am Mittwoch mit der Plünderung von Geschäften und der Blockade von Tankstellen eskaliert. Dabei starb auch ein Polizist. Nach offiziellen Angaben wurde er beim Versuch überfahren, Plünderer an einer Tankstelle zu stoppen.
Die Bevölkerung sei über Hashtags – also markierte Schlagworte auf Twitter – zu Plünderungen in bestimmten Geschäften und Bundesstaaten aufgerufen worden, sagte Montesinos. „Diese Verhaltensweise wird viral und verbreitet sich über die verschiedenen sozialen Netze. Es kam ein Moment, in dem das alles durch Roboterkonten beziehungsweise Bots verstärkt wurde, die Leute für echte Konten zu halten begannen.“
Montesinos zufolge wurden dabei auch gefälschte Bilder von vermeintlichen Plünderungen sowie angeblich Verletzten verwendet. Die Nachrichten seien vor allem über Twitter, aber auch Facebook und WhatsApp verbreitet worden. Viele Konten seien erst vor wenigen Tagen angelegt worden. Da die Urheber bislang unbekannt seien, wünsche man Zugang zu den entsprechenden Daten von Twitter. Zudem hätten die Behörden bereits die Löschung von rund der Hälfte der Konten beantragt.
Seit einer Erhöhung der Benzinpreise am Sonntag um bis zu 20 Prozent wird überall im Land protestiert. Der Anstieg ist Teil einer von der mexikanischen Regierung vorangetriebenen Liberalisierung der Treibstoffpreise, die sich den internationalen Schwankungen des Erdölpreises anpassen sollen. In Mexiko war jahrzehntelang der Benzinpreis von der Regierung weit unter den Marktpreisen festgelegt worden.
Bei den Protesten wurden in den vergangenen Tagen laut der Zeitung „Milenio“ mehr als 900 Demonstranten festgenommen und 400 Geschäfte geplündert. Im Bundesstaat Hidalgo seien zwei Menschen umgekommen, als die Polizei eine Straßenblockade räumen wollte, teilten die lokalen Behörden mit. Weitere 20 Menschen seien verletzt worden. Drei Fahrzeuge, darunter ein Streifenwagen der Polizei, wurden in Brand gesetzt.
Bewohner bilden Bürgerwehren
Im Süden des Staates Veracruz, in der Gemeinde Agua Dulce, wurde ein Mensch während der Proteste überfahren und starb, berichtete „Milenio“ unter Berufung auf die Behörden. Außerdem seien am Donnerstag zwei Leichen mutmaßlicher Plünderer in der Nähe ausgeraubter Geschäfte in Veracruz gefunden worden.
Im bei Touristen beliebten Puebla bildeten Bewohner von drei Stadtteilen mit Stöcken, Macheten und Steinen bewaffnete Bürgerwehren, um Plünderer abzuschrecken. Rund 70 Prozent der Geschäfte im Zentrum der 1,4 Millionen Einwohner zählenden Stadt blieben am Freitag geschlossen, berichtete „Milenio“. In Veracruz versperrten mit Eisenstangen und Macheten bewaffnete Geschäftseigentümer die Zugänge zu Einkaufszentren.
Für Sonntag werden weitere landesweite Proteste und eine Demonstration in Mexiko-Stadt erwartet. Unternehmerverbände haben den Einsatz des Militärs gefordert, um weitere Plünderungen zu verhindern.
Hinweis: In einer früheren Version dieses Textes lautete die Überschrift: „Mexiko gibt Twitter Mitschuld an Plünderungen“. Dadurch konnte der Eindruck entstehen, es werde das Unternehmen Twitter verantwortlich gemacht – tatsächlich handelt es sich aber um über Twitter verbreitete Falschnachrichten, die als eine Ursache für die Ausschreitungen gelten.
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