Was passiert gerade im Iran?
Seit sechs Tagen in Folge protestieren die Menschen im Iran. Brennpunkte sind vor allem die kleineren Städten des Landes – in der Hauptstadt Teheran bleibt es dagegen bislang verhältnismäßig ruhig. Bei den Demonstrationen kam es teilweise zu Gewalt und Ausschreitungen. 21 Menschen kamen bisher ums Leben, darunter ein Mitglied der Revolutionsgarden, ein Passant sowie ein Polizist. Die Revolutionswächter sind Mitglieder der iranischen Revolutionsgarden, einer paramilitärischen Organisation zum Schutz des Systems. 450 Menschen wurden in den vergangenen Tagen festgenommen, davon allein 200 am Samstag. Obwohl die Regierung alle großen sozialen Netzwerke zum Teil schon seit Jahren gesperrt hat, wird dort behauptet, dass die Polizei in dutzenden Städten auf die Demonstranten geschossen habe. Eine unabhängige Überprüfung der Ereignisse ist aber bislang nicht möglich.
Was ist der Auslöser für die Proteste?
Die Eierpreise. Am vergangenen Donnerstag entlud sich das erste Mal in der Stadt Maschhad der Unmut über die hohen Kosten für Grundnahrungsmittel, vor allem für Geflügelprodukte. Schnell sprang der Funke der Entrüstung auf andere Städte über, am Samstag dann auch auf die Hauptstadt Teheran. Die anhaltenden Demonstrationen sind die bislang größten seit der umstrittenen Präsidentenwahl 2009. In die laute Kritik an der schwierigen Wirtschaftslage des Landes mischt sich zunehmend auch Protest gegen die Selbstbedienungsmentalität der Mullahs sowie die Außenpolitik des Landes. Vor allem das Engagement des Iran in Syrien, dem Libanon und dem Jemen ist vielen Iranern ein Dorn im Auge. Sie verlangen von der Regierung die Konzentration auf das eigene Land.
Was macht die iranische Regierung?
Der Sicherheitsrat des Landes beschuldigt das Ausland, hinter den Unruhen zu stecken – namentlich US-Präsident Donald Trump und Irans Erzfeind Saudi-Arabien. Einen klaren Kurs für den Umgang mit den Demonstrationen aber haben die herrschenden Mullahs noch nicht gefunden. Der verhältnismäßig gemäßigte Präsident Hassan Ruhani sagte, die Proteste seien nicht nur vom Ausland gesteuert, aber auch nur legitim, wenn sie dem wirtschaftlichen Fortschritt dienlich seien. Ein Kommandeur der für Teheran zuständigen Revolutionsgarden sagte im Staatsfernsehen, diese würden „nicht zulassen, dass sich die Unsicherheit in Teheran in irgendeiner Weise fortsetzt“. Wenn dies der Fall sei, „werden die Verantwortlichen Entscheidungen treffen, um das zu beenden“. Anders gesagt: Die Machthaber werden dem Treiben nicht mehr lange tatenlos zuschauen.
Wie reagiert das Ausland?
Was den Iran betrifft, sind die Rollen nach wie vor klar aufgeteilt. Die EU gibt den zurückhaltenden Mahner und fordert das Regime in Teheran auf, die Demonstrations- und Meinungsfreiheit zu wahren. Der britische Außenminister Boris Johnson warb für eine „Debatte“ über die Anliegen der Demonstranten. Die USA und Israel, zwei erklärte Gegner des Iran, hoffen offen auf einen Führungswechsel. US-Präsident Donald Trump twitterte, die Menschen im Iran würden nicht länger hinnehmen, „wie ihr Geld und ihr Wohlstand zugunsten von Terrorismus gestohlen und vergeudet wird“. Am Neujahrstag beendete er eine weiteren Tweet in Großbuchstaben mit den Worten: „ZEIT FÜR EINEN WECHSEL!“ Auch die israelische Führung begrüßt die Proteste, fordert einen Machtwechsel, will sich aber nach Ansicht des Geheimdienstministers nicht einmischen. Russland, mit Teheran freundschaftlich verbandelt, warnt vor jeglicher „Einmischung“ des Auslands. Dies würde die Situation im Iran „destabilisieren“
Wie ist die politische Situation im Iran?
Als der umstrittene Atomvertrag in trockenen Tüchern war, keimte kurz die Hoffnung auf, dass die Sanktionen fallen und die Wirtschaft des Landes wieder aufblühen würde. Das war 2015, doch die Erholung lässt weiter auf sich warten. Stattdessen grassieren Arbeitslosigkeit und ständig steigende Preise. Präsident Hassan Ruhani hat zwar die Inflation unter Kontrolle gebracht und den Verfall der Währung gestoppt, doch zugleich hat er die für viele Arme lebenswichtigen Subventionen gekürzt. Zweimal wurde er mit absoluter Mehrheit zum Präsidenten gewählt – auch, weil er als gemäßigt gilt und damit das Gegenteil der erzkonservativen Mullahs verkörpert. Dies aber ist der Grund, warum es ihm schwer fällt, seine Reform-Politik durchzusetzen. Auch die allmächtigen Revolutionsgarden, die große Teile der Wirtschaft kontrollieren, stehen dem Klerus näher als dem Präsidenten. Kurzum: Das Land, außenpolitisch zudem auf Dauerkonfrontation mit Saudi-Arabien, den USA und Israel, steht massiv unter Druck.
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