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Als Umar al-Baschir sich im Sudan an die Macht putschte, stand die Berliner Mauer noch, hatte George H. W. Bush gerade sein Amt als US-Präsident angetreten, herrschte in Südafrika noch Apartheid. Seit 1989 regiert der frühere General sein Land mit harter Hand.

Baschir hat den Bürgerkrieg mit den Provinzen im Südsudan politisch überlebt und den Aufstand in der westsudanesischen Provinz Darfur brutal niedergeschlagen. Im Jahr 2009 stellte der Internationale Strafgerichtshof wegen Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord sogar einen internationalen Haftbefehl gegen den Staatschef aus. Trotzdem hält er sich seit fast 30 Jahren an der Macht.

Doch seit einer Woche erlebt das Land die größten Proteste gegen den Diktator seit Jahren. Zuerst waren am vergangenen Mittwoch in der Stadt Atbara Demonstranten auf die Straßen gegangen. An diesem Dienstag nun hat der Protest die Hauptstadt Khartum erfasst. Tausende Menschen formierten sich zu einem Demonstrationszug. Sie wollten zum Präsidentenpalast ziehen, um dort eine Petition zu übergeben. Darin fordern sie Baschir auf, die Macht an eine Übergangsregierung zu übergeben.

Die Probleme des Landes sind gewaltig

Doch der 74-Jährige denkt gar nicht daran: In einer Rede vor Anhängern am Dienstag machte er ausländische Mächte für die Unruhen in seinem Land verantwortlich. Schon am Tag zuvor hatte er die Sudanesen davor gewarnt, sich von Provokateuren anstacheln zu lassen. Die staatliche Nachrichtenagentur Suna berichtete, Sicherheitskräfte hätten „Zellen von Saboteuren“ ausgehoben, die weitere Proteste planten.

Auslöser der Unruhen war die Entscheidung der Regierung, den Preis für einen Laib Brot auf 3 sudanesische Pfund zu verdreifachen – das sind umgerechnet rund 5 Cent. Doch tatsächlich liegen die Probleme des Landes viel tiefer: Mit der Unabhängigkeit des Südsudan 2011 verlor der Sudan rund drei Viertel seiner Ölquellen und damit eine der wichtigsten Einnahmequellen. Die grassierende Korruption und staatliche Ineffizienz schrecken zudem private ausländische Investoren ab.

Um die Wirtschaft wettbewerbsfähig zu halten, hat die Zentralbank das sudanesische Pfund abgewertet. In der Folge ist die Inflationsrate auf 70 Prozent gestiegen. Den Banken geht das Bargeld aus: Sudanesen berichten, dass sie an Geldautomaten pro Tag nur noch 500 sudanesische Pfund abheben können – das sind umgerechnet etwas mehr als 9 Euro. Oftmals spucken die Automaten aber auch gar keine Scheine aus. Die Lage des Gesundheitswesens ist desaströs, das Bildungssystem miserabel. Und während viele afrikanische Länder langsam Fortschritte machen, verändert sich im Sudan kaum etwas zum Besseren.

Baschir will sich 2020 wiederwählen lassen

Verzweiflung über die wirtschaftliche Lage mischt sich mit Wut auf Baschir. Die meisten Sudanesen, die jetzt demonstrieren, sind unter 30. Einen anderen Staatschef als Baschir haben sie nie kennengelernt. Der Langzeitherrscher hat schon mehrfach versprochen, sein Amt aufzugeben, unter anderem während des Arabischen Frühlings 2011. Stattdessen ließ er sich immer wieder in unfreien Wahlen im Amt bestätigen. Loyale Abgeordnete im Parlament arbeiten bereits an der nächsten Verfassungsänderung, die es ihm erlauben würde, bei der Wahl 2020 erneut für das Präsidentenamt zu kandidieren.

Wahlen werden im Sudan keinen Machtwechsel bringen und Baschirs Sicherheitskräfte wollen einen Volksaufstand gegen den Diktator im Keim ersticken. Bis zum Montag haben laut Amnesty International Regierungstruppen landesweit mindestens 37 Demonstranten erschossen. Auch während der Proteste am Dienstag in Khartum setzen die Sicherheitskräfte Schlagstöcke, Tränengas und scharfe Munition gegen die Protestierenden ein.

Die Regierungen der USA, Großbritanniens, Norwegens und Kanadas äußerten ihre Besorgnis über die Gewalt gegen die Demonstranten. Doch die Worte des Westens werden kaum etwas bewegen können – denn Baschir muss erstens schon allein deshalb an der Macht bleiben, um einem Prozess vor dem Strafgerichtshof in Den Haag zu entgehen.

Katar öffnet den Geldhahn für Baschir

Zweitens hat er mächtige ausländische Unterstützer. China und Russland gehören zu seinen Verbündeten. Das Regime in Peking ist der wichtigste Wirtschaftspartner, Moskau der größte Waffenlieferant. Beide Regierungen haben kein Interesse, dass der Diktator in Khartum stürzt.

Gleiches gilt für die arabischen Staaten: Besonders im Nachbarland Ägypten fürchtet Staatschef Abdel Fattah el-Sisi, dass eine erfolgreiche Protestbewegung im Sudan auch in seinem Land wieder Menschen zu Protesten gegen die Regierung auf die Straßen treiben könnte. Ägyptische Sicherheitskräfte stoppten am Wochenende nach kurzer Zeit einen Protest von Sudanesen vor der Botschaft ihres Landes in Khartum.

Auch Katar, das seit dem Arabischen Frühling im Ruf steht, Anti-Regierungsproteste in den arabischen Staaten zu finanzieren und zu unterstützen, hat dem Diktator seine Hilfe zugesagt. Emir Tamim war der erste arabische Staatschef, der Baschir nach Beginn der Proteste anrief. Der Herrscher von Katar versprach großzügige finanzielle Hilfen. Katar plant unter anderem den Bau eines großen Hafens am Roten Meer und will in großem Stil Kupfer im Sudan fördern. Diese Pläne will sich das Emirat nicht von einem Sturz des sudanesischen Diktators durchkreuzen lassen.


Zusammengefasst: Der Sudan erlebt die größten Proteste seit Jahren. Tausende Menschen fordern den Sturz von Langzeitherrscher Umar al-Baschir. Sie werfen dem Diktator Gängelung und Misswirtschaft vor. Doch der 74-Jährige hat wichtige ausländische Unterstützer hinter sich. Russland, China und die arabischen Staaten stützen den Herrscher von Khartum, der die Demonstrationen gewaltsam unterdrückt.

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