In den USA protestieren landesweit Menschen gegen Polizeigewalt. Auch Kalifornien. Dort hat ein Fotograf ein besonders dramatisches Foto gemacht: Darauf ist zu sehen, wie ein Polizist mit einem Gewehr auf ein Kind zielt – ein Faktencheck.
Long Beach, Kalifornien: Ein Mann und drei Polizisten stehen sich gegenüber. Der mittlere der Beamten hat ein Gewehr mit Gummigeschossen in der Hand und zielt damit auf ein Kind, das auf den Schultern eines Mannes sitzt. Dieses dramatische Bild von den Protesten gegen Polizeigewalt am Wochenende, hat sich rasant im Netz verbreitet: 90.000 Mal wurde es auf Twitter weitergeleitet, auf Instagram hat es fast 13.000 Likes bekommen. Doch manche Motive wirken einfach zu „gelungen“, um echt zu sein. Auch bei diesem Foto hagelt es Zweifel, deshalb hat der stern geprüft, was an den Manipulationsvorwürfen dran ist.
Der Fotograf: Richard Grant ist eigenen Angaben zufolge Armee-Veteran, angehender Fotojournalist und Student an der California State University in Long Beach. Laut seiner Twitter- und Instagram-Accounts arbeitet er unter anderem für die dortige Studentenzeitung. Auf beiden Kanälen finden sich viele und auch jeweils dieselben Bilder zu den Protesten. Eine Insta-Story hat den Titel „May 30 Protest“.
PAID Trump der Zerstörer 11.48Der Ort: Nach Angaben des Fotografen wurde das Foto in Downtown Long Beach, Kalifornien aufgenommen. Metadaten, über die sich der genaue Aufnahmeort sofort herausfinden ließe, hängen dem Bild nicht an, auch ist die Umgebung nicht wirklich zu erkennen. Dafür fällt jedoch die schwarz-weiße, mosaikartige Verzierung (oberer Bildrand) über dem mit Holzplatten gesicherten Bereich ins Auge. Auch auf einem weiteren Instagram-Post von Grant ist die Verzierung zu sehen (hier; oberes Bilddrittel am linken Rand), zudem ein markantes Gebäude am rechten Bildrand. Mit diesen „Informationen“ kann der Aufnahmeort nach unserer Recherche in der Pine Avenue (etwa Höhe Hausnummer 209; Ecke Kreuzung Pine Avenue/W Boroadway) verortet werden. Hier gibt es eine Aufnahme des Ladens – Verzierung und die schwarzen Flächen im Eingansgbereich sind gut wiederzuerkennen – aus anderer Perspektive.*
Das Datum: Fotograf Grant hat seine Insta-Story „30.-Mai-Proteste“ genannt. Die dokumentierten Proteste fanden am Sonntag, den 31. Mai statt. Grant selbst spricht auch in seinem Update der Bildbeschreibung von Sonntag. Und die Nachrichtenagentur AFP datiert die Demonstration ebenfalls auf den 31. Mai.
Das Foto ist zuerst am 1. Juni 2020 im Internet erschienen.
Das spricht für die Richtigkeit: So gab es am Wochenende in Long Beach Proteste. Die Nachrichtenagentur AFP hat am 1. Juni eine Fotoreportage davon veröffentlicht. Sowohl auf den AFP-Fotos als auf dem Bild von Richard Grant tragen die Polizeikräfte die gleichen Uniformen. Einmal ist, wie auf Grants Foto, auch die gleiche Art von Gummigeschosswaffe zu erkennen.
Zielt der Polizist nun auf das Kind?
Das sagt Richard Grant: Da dem Fotografen in den Kommentaren zu seinem Posting offenbar viele Fälschungs- und Manipulationsvorwürfe gemacht werden, hat er die Bildbeschreibung nachträglich präzisiert. Nun heißt es dort:
„Ein Mann steht mit seinem Kind vor Polizisten während den Demonstrationen Sonntag in Downtown Long Beach. Polizist zielt mit Gummigeschossgewehr, damit die Menschenmenge zurückweicht. Der Mann stand dort mit seinem Kind die meiste Zeit, bis die Polizei begonnen hat, Blendgranaten einzusetzen. Aber sie hat niemals auf ihn geschossen, jedoch manchmal mit dem Gummigeschossgewehr auf ihn gezielt.“
Deutungsversuch: Grant behauptet nicht, dass der Polizist explizit das Kind ins Visier nimmt, sondern lediglich, dass die Waffe des Polizisten zeitweise auf das Kind gerichtet war. Auch die Perspektive des Fotos deutet eher daraufhin, dass der Beamte die Menschenmenge hinter Mann und Kind anvisiert hat. Dass er dadurch gelegentlich auch auf die beiden zielt, ließ sich aufgrund der Nähe möglicherweise nicht vermeiden.
Fazit: Das Bild ist aller Wahrscheinlichkeit nach echt, wurde auch nicht weiter manipuliert und taucht auch nicht vor den behaupteten Ereignissen im Internet auf. Ob der Polizist tatsächlich auf das Kind zielt, lässt sich nicht wirklich klären. Der Fotograf erhebt diesen Vorwurf zumindest nicht explizit, und seine Beschreibung der Situation klingt plausibel.
*Hinweis der Redaktion: Diese Passage wurde um die Angabe des genauen Aufnahmeorts aktualisiert.
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