Erneut sind in Russland landesweit Menschen für den Oppositionellen Nawalny auf die Straße gegangen. Deutschland pocht einmal mehr auf eine ärztliche Versorgung. Was sagt der Kreml dazu?
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer geht nach einem Telefonat mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin von einer Behandlung des Kremlkritikers Alexej Nawalny aus.
«Ich habe die Aussage bekommen, dass die medizinische Versorgung gewährleistet ist», sagte der CDU-Politiker bei einem Besuch in der russischen Hauptstadt Moskau. Das sei die Erwartung von deutscher Seite. «Das ist ein Mindestmaß an humanitärer Unterstützung, die man jemanden zukommen lassen muss», sagte Kretschmer. Unterdessen teilte Nawalnys Team mit, dass der Oppositionelle zu Untersuchungen in ein Krankenhaus außerhalb des Straflagers gebracht worden sei.
Der Kreml hatte zuvor nach dem Telefonat schriftlich mitgeteilt, dass die Situation rund um den Oppositionellen, der seit mehr als drei Wochen im Hungerstreik ist, angesprochen worden sei. Am Mittwoch hatte es in Russland trotz Warnungen der Behörden landesweit erneut Demonstrationen zur Unterstützung des 44-Jährigen gegeben.
Laut dem Bürgerrechtsportal ovdinfo.org wurden bei den nicht genehmigten Protesten in fast 100 russischen Städten mehr als 1900 Menschen festgenommen, die allermeisten davon in St. Petersburg.
Menschenrechtler kritisierten danach willkürliche Festnahmen. Zwar habe es bei den Kundgebungen weniger Polizeigewalt gegeben als bei den Aktionen Anfang des Jahres, teilte die Organisation Human Rights Watch mit. «Doch das harte Vorgehen der Behörden gegen die Versammlungsfreiheit ist völlig ungerechtfertigt.»
Nawalny selbst lobte den Mut der Demonstranten. Er sei stolz, Teil dieser großartigen Sache zu sein, hieß es auf dem Instagram-Account des Oppositionellen. «Ich bin einer von Euch, der angesichts von Ungerechtigkeit und Gesetzlosigkeit nicht schweigt. Der keine Angst hat, trotz all der Wut, die jetzt aus dem Kreml kommt.» Jetzt Angst zu haben, heiße zu verlieren und die Zukunft zu verspielen.
Der 44 Jahre alte Oppositionelle, der im vergangenen Jahr nur knapp einen Giftanschlag überlebte, verweigert die Nahrungsaufnahme, um so eine Behandlung von einem unabhängigen Arzt zu erwirken. Der Politiker klagte zuletzt über Rückenleiden, Lähmungserscheinungen in den Gliedmaßen, Fieber und Husten. Wie es ihm tatsächlich geht, lässt sich unabhängig nicht überprüfen.
Nawalnys persönliche Ärztin Anastassija Wassiljewa bestätigte auf Twitter, dass unabhängige Ärzte ihn untersucht hätten. Dabei handele es sich um Spezialisten aus dem Gebiet Wladimir östlich von Moskau, in dem sich Nawalnys Straflager befindet. «Das ist bereits ein großer Schritt.» Wassiljewa forderte zugleich persönlichen Zugang zu dem 44-Jährigen. Sie und weitere Ärzte, die nach eigenen Angaben die Untersuchungsergebnisse ausgewertet haben, appellierten danach in einem von Medien veröffentlichten Brief an den 44-Jährigen, den Hungerstreik sofort zu beenden, damit er nicht sterbe. Die Untersuchungen seien demnach bereits am Dienstag durchgeführt worden. Nawalny war erst am Sonntag in ein anderes Straflager mit einer Krankenstation verlegt worden.
Die Parlamentarische Versammlung des Europarats forderte, Russlands bekanntester Oppositioneller solle die notwendige medizinische Pflege und einen Arzt seiner Wahl erhalten. Weiter heißt es in einer verabschiedeten Resolution: Dass er bisher offensichtlich keine angemessene medizinische Versorgung erhalte, könne Fragen bezüglich seines Rechts auf Schutz vor unmenschlicher und erniedrigender Behandlung aufwerfen. Zudem pochte das Gremium auf seine sofortige Freilassung.
Indes sagte die Menschenrechtsbeauftragte der russischen Regierung, Tatjana Moskalkowa, die Haftbedingungen Nawalnys und die medizinische Versorgung entsprächen internationalen Standards. «Es wurde nicht festgestellt, dass Nawalny brutal oder grob behandelt wurde.» Er könne wie andere Häftlinge acht Stunden ununterbrochen schlafen. Nawalny hatte von Foltermethoden gesprochen, weil ihn Gefängniswächter nachts stündlich weckten.
Vor den Demonstrationen am Mittwoch hatte die Polizei mehrere Nawalny-Unterstützer festgenommen und Büroräume seiner Mitarbeiter durchsucht. Für besondere Empörung sorgte das Vorgehen gegen Nawalnys Pressesprecherin Kira Jarmysch, die laut ihrer Anwältin für zehn Tage in Haft muss. Ihr werde vorgeworfen, im Internet zu den nicht genehmigten Protesten aufgerufen zu haben – obwohl sie seit Wochen im Hausarrest sitze und dort gar keinen Zugang zum Internet habe.
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