Nach 100 Tagen Untersuchungshaft in der Türkei beginnt heute in Istanbul der Prozess gegen den Deutschen Peter Steudtner. Die Staatsanwaltschaft wirft Steudtner und zehn weiteren Angeklagten „Mitgliedschaft in einer bewaffneten Terrororganisation“, beziehungsweise Unterstützung solcher Organisationen vor. Unter den Angeklagten ist auch der Vorsitzende von Amnesty International in der Türkei, Taner Kilic. Laut Amnesty drohen den Beschuldigten bis zu 15 Jahre Haft. Steudtner gehört zu mindestens elf Deutschen, die in der Türkei aus politischen Gründen inhaftiert sind.

Schon vor der Festnahme Peter Steudtners war das Verhältnis zwischen Deutschland und der Türkei schwer belastet. Die Inhaftierung von Peter Steudtner hat die Krise in den bilateralen Beziehungen noch einmal verschärft. Eine Chronologie der Ereignisse. 

Zehn Menschenrechtler werden festgenommen

5. Juli: Die Polizei stürmt einen Menschenrechts-Workshop, bei dem Steudtner und sein schwedischer Kollege Ali Gharavi als Referenten eingeladen sind, in einem Hotel auf einer Insel bei Istanbul. Bei dem Seminar ging es unter anderem um digitale Sicherheit. Die zehn Teilnehmer – darunter auch die Direktorin von Amnesty in der Türkei, Idil Eser – werden festgenommen und nach Istanbul gebracht.

8. Juli: Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan rückt die Festgenommenen bei einer Pressekonferenz zum Abschluss des G20-Gipfels in Hamburg in die Nähe von Putschisten. Erdogan sagt, die Versammlung auf der Insel Büyükada habe dem Charakter nach „einer Fortsetzung des 15. Juli“ entsprochen. Gemeint ist der Putschversuch in der Türkei vom 15. Juli 2016.

„Ein Angriff auf die Menschenrechtsbewegung“

18. Juli: Ein Gericht in Istanbul verhängt wegen Terrorvorwürfen Untersuchungshaft gegen die meisten der Festgenommenen, darunter auch Steudtner, Gharavi und Eser. Der Türkei-Experte von Amnesty International, Andrew Gardner, sagt: „Das ist ein Angriff auf die gesamte Menschenrechtsbewegung in der Türkei.“ Steudtners Lebensgefährtin Magdalena Freudenschuss nennt die Terrorvorwürfe „total absurd“.

19. Juli: Das Auswärtige Amt teilt mit, dass Außenminister Sigmar Gabriel aufgrund der Verhaftungen der Menschenrechtler in der Türkei seinen Urlaub abbricht.

20. Juli: Gabriel kündigt als Konsequenz aus der Inhaftierung Steudtners und anderer deutscher Staatsbürger aus politischen Gründen eine Neuausrichtung der deutschen Türkei-Politik an. Das Auswärtige Amt verschärft die Reisehinweise für die Türkei. Gabriel macht die Freilassung der Inhaftierten zur Bedingung für Verhandlungen über die von der Türkei gewünschte Ausweitung der EU-Zollunion.

Erdogan erhebt Vorwürfe gegen Deutschland

25. Juli: Erdogan erhebt Spionagevorwürfe gegen die Bundesregierung und spielt dabei auf den Fall Steudtner an. „Du erlaubst dem Präsidenten und den Ministern der Türkei nicht, in deinem Land zu sprechen“, sagt der Präsident. „Aber deine Agenten kommen und tummeln sich hier in Hotels und zerteilen mein Land.“

1. August: Nach zwei Wochen in türkischer Untersuchungshaft werden Steudtner und Gharavi vom Istanbuler Gefängnis im Stadtteil Maltepe in die rund 80 Kilometer entfernte Haftanstalt in Silivri verlegt. Dort sitzt auch der deutsch-türkische „Welt“-Korrespondent Deniz Yücel wegen Terrorvorwürfen in Untersuchungshaft.

Prozess gegen Peter Steudtner beginnt in Istanbul

8. Oktober: Die Anklageschrift wird über türkische Medien bekannt. Elf Menschenrechtler werden der Unterstützung beziehungsweise der Mitgliedschaft in einer bewaffneten Terrororganisation beschuldigt. Darunter ist auch der Amnesty-Vorsitzende in der Türkei, Taner Kilic, gegen den bereits im Juni in Izmir Untersuchungshaft verhängt worden war. Sein Fall wurde überraschend mit in die Anklageschrift aufgenommen.

17. Oktober: Steudtners Anwälte teilen mit, dass das Gericht die Anklageschrift angenommen hat.

25. Oktober: In Istanbul beginnt der Prozess gegen Steudtner, seinen schwedischen Kollegen Ali Gharavi und neun Mitangeklagte. 

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